SWR2 Wort zum Tag

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27NOV2019
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Meine Freundin Theresa hat sich plötzlich nicht mehr gemeldet. Ich habe alles versucht, aber es ist einfach nichts zurückgekommen. Mich hat das sehr beschäftigt und ich habe mir Sorgen gemacht. Nach einem dreiviertel Jahr hat sie sich dann endlich wieder gemeldet. Und mir erzählt, dass sie in eine Depression geraten ist.

Oh man, hätte ich das nicht früher erkennen und ihr helfen können?

Ich habe mich auf die Suche gemacht, was ich denn konkret in solchen Situationen tun kann. Dabei bin ich auf einen interessanten Ansatz gestoßen:

In Australien wurde der Ansatz „mental health first aid“ entwickelt– übersetzt heißt das so viel wie „Erste Hilfe für psychische Gesundheit“. Die Idee dahinter ist, dass es genauso wichtig ist, jemanden in akuter seelischer Not zu helfen, wie jemandem, der gerade einen Herzinfarkt erleidet.  

Bei diesem Konzept wird nach einem klaren Schema unterstützt:

Zunächst soll ich auf den Erkrankten reagieren. Das heißt, ich spreche ihn offen an, wie ich seine Situation gerade wahrnehme. Bei meiner Freundin Theresa hätte ich zum Beispiel sagen können, dass ich das Gefühl habe, dass sie sich verändert hat. Irgendetwas ist mit ihr passiert. Und ich hätte sie dazu auffordern können, mir ihre Sicht zu schildern.

Natürlich lässt sich nicht jeder, dem es schlecht geht, auf so ein Gespräch ein. Aber auch dann darf ich hartnäckig sein. Ich könnte so etwas sagen wie: „Ich mache mir große Sorgen um dich. Ich sehe, wie du dich zurückziehst und ich weiß, dass Du das früher nicht gemacht hast. Vielleicht bin ich nicht die Person, mit der du darüber reden kannst, aber es gibt viele Hilfsangebote. Eines davon passt bestimmt auch für dich.“

Es geht darum, der Erkrankten gegenüber offen zu sein, ihr aber auch ganz konkrete Kontakte zu geben, bei denen sie sich Hilfe holen kann.

Der letzte Schritt des Konzeptes ist es, gemeinsam mit der Erkrankten nach Ressourcen in ihrem Leben zu suchen. Gemeinsam zu überlegen, ob es eine Vertrauensperson in ihrem Alltag gibt, die er mit einbeziehen kann.

Durch dieses Training sollen Menschen ihr Problem erkennen können um sich dann professionelle Begleitung zu suchen.

Das Schulungsprogramm ist auch dafür da, ein Erste-Hilfe-System für psychisch Kranke aufzubauen. Da können sich Menschen melden, die dazu bereit sind im Alltag erste Hilfe für Erkrankte zu leisten. In Deutschland entsteht das Projekt erst. Deswegen sollen zuerst Menschen geschult werden, die in großen öffentlichen Einrichtungen arbeiten. Etwa Mitarbeitende in Personalverwaltungen oder Lehrer … So soll mit der Zeit ein erste Hilfe Netz für seelische Erkrankungen entstehen.

Ich kann mir jedenfalls gut vorstellen, mich in dem Bereich schulen zu lassen. Denn endlich wird in der Gesellschaft mehr darüber gesprochen... Und dennoch wissen viele nicht, wie sie mit solchen Erkrankungen umgehen können und sind einfach unsicher. Das habe ich bei der Situation mit meiner Freundin hautnah erlebt.

Erste Hilfe zu leisten ist eine gesellschaftliche Pflicht. Und ich finde den Ansatz gut, Erste Hilfe auch auf psychische Erkrankungen auszuweiten. Ich bin überzeugt davon, dass dies auch helfen kann, Vorurteile abzubauen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29827
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