SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

26NOV2019
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Meine Oma ist vor kurzem verstorben. Sie war 97 Jahre alt und es kam nicht sonderlich überraschend. Ihr ging es schon länger schlecht und sie hat sich ihren Tod monatelang herbeigewünscht. Insofern war es für sie eine Erlösung – und für meine Familie auch. Wir haben sie begleitet, aber wir haben auch ihr Leid gesehen.

Der Tag ihrer Beerdigung war schön. Das hat mich überrascht, weil ich sowas nicht erwartet habe. Beerdigungen sind nicht schön. Ich hab‘ aber jetzt in Omas Fall gelernt: doch. Denn es sind ganz viele Freunde und Bekannte gekommen. Sie haben hinter uns gestanden, haben mitgetrauert, uns in den Arm genommen und getröstet. Und nachher bei Kaffee und Kuchen war es richtig nett. Wir haben geredet, gelacht und geweint.

Umso trauriger fand ich es, als ich letztens gelesen habe, dass immer mehr Verstorbene gar keine Trauergemeinde mehr um sich haben. Oft sind die Freunde und Verwandten schon gestorben oder selbst zu alt, um zu einer Beerdigung zu kommen.

Den Gedanken finde ich ganz deprimierend – wenn jemand nicht mehr aus dieser Welt verabschiedet wird, weil einfach keine mehr da ist, die ihn gekannt hat... Ich finde, auch Beerdigungen gehören zum Zyklus des Lebens. Genauso wie es Menschen gibt, die sich freuen, wenn ein Kind geboren wird, gehören für mich Menschen dazu, die trauern, wenn jemand beerdigt wird.

In einem ähnlichen Dilemma hat sich eine dänische Pastorin gesehen. Sie war mit der Beerdigung eines Mannes beauftragt worden, der nur noch drei nahestehende Menschen um sich hatte. Das sind aber nicht genug, um den Sarg zu tragen. In Dänemark ist es Tradition, dass Familienangehörige und Freunde den Sarg zum Grab tragen.

Spontan hat die Pfarrerin übers Internet einen Aufruf gestartet und Menschen gebeten, den Mann bei seiner Beerdigung zu begleiten. Und anders als sie erwartet hat, sind 80 Menschen zu der Beerdigung des Mannes gekommen. Und das, obwohl sie ihn nicht kannten. Das ist doch toll. Ich bin ganz berührt.

Ich finde, niemand sollte alleine beerdigt werden. Deswegen gefällt mir die Aktion der dänischen Pastorin. Und ich denke, das wäre gut auf unsere christlichen Kirchengemeinden übertragbar. Eine Kirchengemeinde ist  eine solidarische Gemeinde – oder sollte es sein. Es wird aufeinander geschaut. Es wäre doch eine schöne und wichtige Aufgabe, sich dafür einzusetzen, dass niemand alleine beerdigt werden muss. Eine Möglichkeit wäre, die Beerdigung mit einem normalen Gemeindegottesdienst zu verknüpfen. So, wie die Taufe eines Kindes die gesamte Gemeinde betrifft, betrifft sie auch der Tod und die Beerdigung eines Menschen. Dann müsste niemand mehr allein aus dieser Welt verabschiedet werden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29826
weiterlesen...