Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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11OKT2019
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Sprachlos. Es macht mich sprachlos, wenn Dinge wie vorgestern geschehen. Ein mutmaßlich rechtsradikaler Antisemit will ein Blutbad anrichten in einer Synagoge, will betende Menschen töten. Er bekommt die Tür nicht auf und erschießt aus Frust und Hass eine Frau auf der Straße und einen Mann in einem Dönerladen. Es macht mich sprachlos, dass 80 Jahre nach der sogenannten Reichskristallnacht dieser abgrundtief böse Hass gegenüber Juden in Deutschland immer noch lebendig ist. Es macht mich sprachlos, wenn am selben Tag der türkische Präsident seinen Krieg gegen die Kurden, der tausende Menschen das Leben kosten wird, „Quelle des Friedens“ nennt. Es darf aber nicht bei meiner, bei unserer Sprachlosigkeit bleiben. Denn es muss Recht gesprochen werden über den Mörder von Halle. Klarstes, schärfstes Recht im Rahmen unserer Gesetze. Und das möglichst ohne Hass. Denn Hass erzeugt nur wieder Hass. Und Krieg ist Krieg und nicht Frieden. Auch das muss gesagt werden. Deutlich, öffentlich und ohne diplomatische Verpackungen. Denn mit der Sprache fängt es an. Antisemitische Äußerungen sind nachweislich mehr geworden in den letzten Jahren. Dumme, hasserfüllte Menschen meinen, sie könnten wieder so reden, immer mehr auch wieder öffentlich so reden. Nein, das können sie nicht, das dürfen sie nicht! Denn Gewalt in der Sprache führt irgendwann zu realer Gewalt. Eine amerikanische Sprachwissenschaftlerin hat das nachgewiesen. Wird eine noch leicht gewaltsame Sprache gesellschaftlich hingenommen, folgt eine noch gewaltsamere. Und wie bei Dominosteinen ist dann der letzte Stein der fällt, wenn es zum Hauen, Stechen und Töten kommt. Wehret den Anfängen! Darum müssen Menschen guten Willens einschreiten, wenn sie in Sprache verpackten Hass erleben: im Bus, im Büro, im Internet, auf den Schulhöfen oder im Parlament. Nicht sprachlos bleiben. Den Hass nicht hinnehmen. Die Stimme erheben, dagegen sprechen. Denn wir sind mehr. Und das müssen die vom Hass erfüllten hören und die Trauernden in Halle spüren…

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