SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

29SEP2019
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„Ach, wär das Leben schön, wenn nur die Sorgen nicht wären.“ Meine Nachbarin sagt das immer. Ja, vielleicht wäre das Leben wirklich leichter, wenn man sich nicht so viele Sorgen machen würde. Sich nicht immer gleich einen Kopf machen. Nicht immer so ins Grübeln verfallen. Darauf vertrauen, dass etwas gut ausgeht. Dass sich schon irgendwie eine Lösung finden wird für das, wo ich nicht weiterweiß und nicht weiter komme. Nachts um drei, wenn ich aufwache und nicht mehr einschlafen kann, sieht das manchmal anders aus. Dann fangen die Gedanken an zu kreisen. Ob ich an alles gedacht habe bei der wichtigen Besprechung gestern? Ob ich das alles schaffe, was von mir bei der Arbeit oder privat erwartet und verlangt wird? Nachts um drei sind die Sorgen wie durch ein Vergrößerungsglas immer noch viel größer und bedrohlicher als am Tag.

Ich habe rausgefunden, dass es mir hilft, was Jesus in der Bergpredigt über das Sich-Sorgen-Machen gesagt hat. Von den Vögeln kannst Du was darüber lernen, hat Jesus gemeint. Nämlich, wie Du besser zurechtkommst mit dem, was Dir Sorgen macht. Das klingt eigentlich ganz schön radikal, was er da sagt. „Macht euch keine Sorgen um euer Leben – was ihr essen oder trinken sollt. […] Ist das Leben nicht mehr als Essen und Trinken? […] Seht euch die Vögel an! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln keine Vorräte in Scheunen: Und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie?“ (Mt 6, 26)

Tja, wenn’s nur so einfach wäre. Wenn ich nur sagen müsste, nachts um drei, wenn ich nicht mehr schlafen kann: „Lasst mich in Ruhe, liebe Sorgen. Ich will nichts von euch wissen. Ich will jetzt schlafen. Die Nacht ist zum Schlafen da.“ Aber wenn ich nicht weiß, wie ich über die Runden kommen soll, dann sind die Sorgen am Morgen nicht weg. Oder wenn ich nicht weiß, wie ich mit dem Druck zurechtkommen soll, der am Tag bei der Arbeit wieder auf mich wartet, dann denke ich: Schön, wenn’s so einfach wäre.

Manche können das ja. Die haben ein dickeres Fell. Vielleicht hängt das auch davon ab, was für ein Typ ich bin. Oder davon, welche Erfahrungen ich halt im Leben gemacht habe. Ob ich ein ängstlicher Mensch bin oder ein zuversichtlicher. Ob ich gut mit den kleinen oder großen Sorgen meines Lebens zurechtkomme. Oder ob es mir schwerfällt, zu meinen Sorgen einen Abstand zu kriegen. Und ich immer wieder drauf gestoßen werden muss. Mensch, mit Deinem Sorgen und Grübeln machst Du Dir das Leben selber aber ganz schön schwer.

Ich verstehe das so: „Guckt Euch doch die gefiederten Freunde an“, wie sie keine Ruhe haben, ihre Brut verteidigen, Futter herbeiholen den lieben langen Tag. Sie sorgen doch in einem fort. Aber ihre Sorge hat eine Grenze. Alles andere wäre ja auch lachhaft: Stellt Euch vor, Vögel, die Ackerbau betreiben. Säen und ernten und die Vorräte in Scheunen sammeln. Das wäre absurd, komisch, weil es völlig über ihr Sorgemaß hinausgehen würde.

Ich habe kapiert, dass das doch genauso für mich gilt. Meine Sorge muss eine Grenze haben. Ich kann tun, was heute zu tun ist. Aber die Sorge darf sich nicht immer breiter machen in meinem Leben und grenzenlos werden. Das gilt, habe ich kapiert, weil ein anderer für mich sorgt. Jesus meint: So wie Gott dafür sorgt, dass die Vögel genug Nahrung finden, so sorgt er noch viel mehr für jeden, der sich das gefallen lässt.

Du kannst darauf vertrauen, dass Gott für Dich sorgt. So verstehe ich das. Gerade da, wo Du mit Deinem Sorgen nicht weiterkommst. Denn es gibt ja Sachen, die ändern sich nicht, ganz egal, wie viele Sorgen ich mir mache. Die muss ich loslassen. Wie ich zum Beispiel im Alter noch zurechtkomme, das weiß ich heute noch nicht. Alles Sorgen-Machen darüber jetzt hilft mir nicht weiter, wenn ich mir ausmale, wie es mal kommen könnte. Da ist es gut, wenn meine Sorge eine Grenze hat. So kann ich jetzt überlegt das tun, was möglich ist. Eine Vorsorgevollmacht einrichten zum Beispiel, oder eine Patientenverfügung. Das kann helfen, die Sorgen ein wenig kleiner zu machen. Und ich kann vertrauen, dass sich dann, wenn es einmal so weit sein wird, eine Lösung findet.

Soll ich dann einfach sorglos in den Tag hineinleben? Von Jesus kann ich lernen: Sich viele Sorgen machen und für einen anderen sorgen, das sind zwei Sachen, die ich unterscheiden muss. Also ein richtiges Maß finden. Das wär’s doch. Dass einen die Sorgen nicht auffressen und dass man die Sorgen loswerden kann, die einem zu schwer werden. Vor allem nachts um drei. Und dass ich rausfinde, wofür ich wirklich sorgen, worum ich mich kümmern muss. Denn das gehört doch zum Leben von uns Menschen, dass wir füreinander Verantwortung übernehmen. Dass es nicht egal ist, wie es wird.

Und vielleicht ist es sogar so, denke ich mir, dass Gott mich manchmal dazu braucht, wenn er für einen Menschen sorgt. Dass er mich schickt, mir zeigt, wo ich anpacken, helfen, mich kümmern kann. Ich glaube, das hat Jesus gemeint, wenn er sagt: „Tut, was ihr könnt, um die Welt freundlicher zu machen. Und sorgenfreier für die Menschen, die von Sorgen schier erdrückt werden.“ Dann wird das Leben auch für andere leichter.

Ich wünsche Ihnen einen frohen Sonntag und eine gute Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29477
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