SWR1 Begegnungen

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15SEP2019
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Und mit Professor Dr. Reinhard Loske. Zum ersten Mal begegnet bin ich ihm in den neunziger Jahren. Als junger Projektleiter des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie hatte er im Auftrag des Umweltverbandes BUND und des katholischen Hilfswerks Misereor die Studie  „Zukunftsfähiges Deutschland“  erstellt. Das Thema schon damals: Wie können wir nachhaltig leben und die Schöpfung bewahren statt sie zu zerstören. Nachhaltigkeit wurde das Lebensthema von Reinhard Loske, fast zehn Jahre lang saß er für die Grünen im Bundestag. Anschließend war er Umweltsenator in Bremen, bevor es ihn wieder in die Wissenschaft zog. Prof. Dr. Reinhard Loske

Angesichts dieses Weges lautet natürlich meine erste Frage: Was treibt einen wie ihn dazu, mit 60 Jahren noch einmal neu anzufangen und Präsident der noch jungen und kleinen Cusanus-Hochschule in Bernkastel-Kues mit ihren Schwerpunkten Ökonomie und Philosophie zu werden?     

Der Ökonomie ihre Einseitigkeit zu nehmen, von der sie heute geprägt ist, das war der Grund, warum ich an die Cusanus-Hochschule gekommen bin, und ich sehe dringend die Notwendigkeit, die Ökonomie aus ihrem engen Korsett zu befreien und sie wieder zu einer Sache zu machen, die uns alle angeht und die vor allen Dingen wegkommt von dieser kurzfristigen Rendite-Orientierung hin zur Wiedereinbettung der Ökonomie in Gesellschaft und Natur, also das hat mich hierher geführt. 

Seine Kritik an der heute gängigen Lehre: 

Sie idealisiert den Markt gegenüber der Gesellschaft. Zwar sind wir alle keine Engel, aber wir sind auch nicht nur Egoisten, und die Vorstellung, dass an alle gedacht ist, wenn jeder an sich selber denkt, springt arg zu kurz, und vor allen Dingen ist die heutige Ökonomie, nicht dazu in der Lage, die großen gesellschaftlichen Fragen, die klaffenden Ungerechtigkeiten und vor allen Dingen die ökologische Frage adäquat zu bearbeiten. 

Weg von der  vorherrschenden Lehre, wonach der Markt alles am besten regelt, weg von der ausschließlichen Orientierung an Wettbewerb und Rendite, weg von der Wachstumshörigkeit – nicht weniger als die völlige Umgestaltung des Wirtschaftssystems  hin zu mehr Gemeinsinn und Dienst an der Gesellschaft hat er sich auf die Fahnen geschrieben. Doch wie soll das gehen, frage ich ihn. Schließlich hat sich der Kapitalismus  tief in die menschlichen Herzen und Seelen gefressen. Mehr Gemeinsinn, weniger Eigensinn, ist das nicht ein etwas zu positives Menschenbild? 

Positiv ja, aber nicht naiv, die ökologischen Herausforderungen, nehmen wir den Klimawandel, der Schwund an biologischer Vielfalt, legen uns eigentlich nahe, dass wir nicht nur die Nächstenliebe und den Eigennutz pflegen sollten, sondern auch die Fernstenliebe, und dass es eben eine neue Balance zu finden gilt zwischen diesen beiden Interessen. 

Balance ist auch das Stichwort, das zum Namensgeber der Cusanus-Hochschule führt: Nikolaus von Kues, lateinisch Cusanus. Auch der große mittelalterliche Theologe, Bischof und Kirchendiplomat von der Mosel war schon vor 500 Jahren auf der Suche nach neuen Balancen, nach der Versöhnung der Gegensätze. Was das in Sachen Klima heute konkret heißt dazu mehr nach dem nächsten Titel.   

Teil 2 

Professor Dr. Reinhard Loske ist Präsident der Cusanus-Hochschule in Bernkastel-Kues mit ihren Schwerpunkten Wirtschaft und Philosophie. Genau darum geht es Loske: philosophisch reflektiert an einer lebensdienlichen Wirtschaft mitzuarbeiten. Dass dabei auch die Kirchen eine wichtige Rolle spielen können, hat die Umwelt- und Sozialenzyklika Laudato si von Papst Franziskus gezeigt, findet jedenfalls der Katholik Reinhard Loske: 

Also ich war sehr sehr positiv angetan, als das 2015 erschienen ist, laudato si, sowohl die Detailgenauigkeit und die Reflektion aller einzelnen Probleme, sei es der Klimawandel, sei es der Schwund an biologischer Vielfalt bis hin zu solchen praktischen Fragen wie Plastikmüll, wie Verschmutzung der Meere usw. 

Andererseits nehme die Enzyklika aber auch Grundsätzliches in den Blick, nämlich 

…dass es bei der ökologischen Frage nicht nur um Technik geht, und um Wirtschaft, sondern eben um Verantwortung und sicherlich auch, würde ich sagen, dass die Spiritualität dabei helfen kann zu erkennen, dass es auch noch was Größeres gibt als uns selbst.  

Die großen Zusammenhänge sehen, die anstehenden Aufgaben philosophisch und theologisch begründet angehen, Kulturwandel, Bewusstseinsänderung: alles schön und gut und richtig – aber – so werfe ich ein: müssen wir angesichts des Klimawandels die Dinge nicht viel schneller ändern, weil uns die Zeit davon läuft? Ja, das stimmt, räumt Loske ein: 

Es war im Prinzip schon alles gesagt Ende der achtziger Jahre. Seitdem ist der CO2-Ausstoß um zwei Drittel gestiegen im Weltmaßstab, also Grund für Pessimismus gibt es mehr als genug ich hab so ein bisschen die Sorge, dass aus dieser Haltung, ach wir müssen schon nix machen, uns wird schon zu gegebener Zeit etwas einfallen, jetzt das direkt umschlägt in ne Haltung man kann sowieso nix mehr machen, also lasst uns die letzte Party feiern, das wäre schlecht, also es ist schon ein Unterschied, ob man sich an eine Welt anpassen muss, die um 1,5 Grad wärmer ist oder an eine Welt die um drei, vier oder fünf Grad wärmer ist  

Drei zentrale Strategien sind es, die helfen, die Katastrophe noch zu verhindern, erklärt Loske: erstens so schnell wie möglich weg von den fossilen Energien, so schnell wie möglich sparsam mit Energie umgehen und sie erneuerbar erzeugen, zweitens die Konsum- und Kommerzorientierung überwinden und drittens nicht nur weniger Klimagase produzieren, sondern auch Aufforstung, eine andere Art der Landwirtshaft, Küstenschutz und  vieles mehr. 

Lange Rede, kurzer Sinn: ja, es gibt viel Grund für Pessimismus, aber es gibt auch Zeichen der Hoffnung, und ich würde nicht die These vertreten, es ist schon zu spät, aber wenn wir nicht sehr bald anfangen, könnte es schon bald zu spät sein, wir wären dann nur noch Vollstrecker von dem was die Sachzwänge uns abverlangen. 

Die Dinge realistisch sehen und trotzdem optimistisch ans Werk gehen, das ist eine christliche Grundhaltung. Das kommt mir in den Sinn, als ich mich von Reinhard Loske verabschiede – und ein Wort aus dem ersten Petrusbrief, das mir immer wichtiger geworden ist: Seid stets bereit, Zeugnis zu geben von der Hoffnung, die in euch ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29417
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