Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Eine oberschwäbische Kreisstadt wird zum Versuchskaninchen einer großen Discounterkette: Im dortigen Supermarkt sind nun an Werktagen die Tore rund um die Uhr geöffnet. Um zwielichtige Elemente fern zu halten, sorgt nachts eine Bewachungsfirma für die Sicherheit von Kundschaft und Personal. Einkaufen unter den Augen der Sheriffs. Mit der Liberalisierung des Ladenschlusses hat der Gesetzgeber diesem absurden Theater Tür und Tor geöffnet. Auch heute – am Samstagabend – sollen in diesem Geschäft die Kassen bis 24. 00 Uhr klingeln, dann aber ist Sonntag, und da müssen die Läden bei uns im „Ländle“ – von vier Ausnahmen im Jahr abgesehen – noch geschlossen bleiben. Doch um Mitternacht gehen die Lichter noch lange nicht aus, denn danach muss aufgeräumt, abgerechnet und zugeschlossen werden. Für die Beschäftigten wird dann auch diese Nacht zum Tage.

Erweiterte Ladenöffnungszeiten schaffen neue Arbeitsplätze, behauptet der Konzern. Das täuscht, denn das Einkaufsverhalten der Menschen orientiert sich am Budget, das sie ausgeben können. Es wird nicht mehr, sondern allenfalls wo anders und zu anderen Zeiten eingekauft. Kleinere Geschäfte können aus Kostengründen nicht länger öffnen. Sie werden Personal abbauen oder den Laden gleich ganz dicht machen müssen. Im Saldo wird das Arbeitsplätze kosten.

Was dieser Mondschein-Discounter versucht, ist gesellschaftlich gefährlich. Auch und gerade Einkaufszeiten sind Taktgeber. Aus der Rund-um-die-Uhr-Öffnung der Geschäfte wird schnell eine „Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft“, die außer Atem kommt und immer mehr gemeinsame Zeit verliert. In diesem Fall ohne Not, denn es wird doch niemand verhungern, wenn nachts die Läden geschlossen bleiben. Die Hungerleiderei läuft auf ganz anderer Ebene. Fehlt die gemeinsame Zeit, geht das voll zu Lasten von Beziehungen, Familien, Politik und Kultur. Und eines wird jedem Einsichtigen sofort klar: Gerät der Sonntag vom Samstag und vom Montag her noch mehr unter Druck, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch er zur Unkenntlichkeit zerquetscht wird und vollends an den Kommerz verloren geht.

Da der Gesetzgeber offensichtlich für die Bewahrung sozialer, gemeinsamer Ruhezeiten keine Verantwortung mehr übernehmen will, liegt es nun an uns als Verbraucherinnen und Verbraucher, ob wir dieser Geisterschicht im Supermarkt ein Ende setzen und nachts um der Menschen und der Gesellschaft willen endlich einmal Ruhe geben. Ethische Appelle verhallen scheinbar ungehört. Der Spuk ist dann aber schnell vorbei, wenn die Konzernherren draufzahlen statt zu verdienen. https://www.kirche-im-swr.de/?m=2928
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