Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ein brutaler politischer Mord erschütterte vor wenigen Wochen die Völkergemeinschaft: Die Hinrichtung der pakistanischen Oppositionspolitikerin Benazir Bhutto. Es ist immer wieder dasselbe lähmende Entsetzen beim Anblick dieser Bilder. Kaltblütig wird ein Menschenleben ausgelöscht. Und mit der Person soll auch ihre Vision erlöschen, nämlich die eines demokratischen Pakistan. Wer immer auch die Hintermänner der Attentäter waren – eines ist ihnen gelungen, dieses aufstrebende Volk auf dem Weg zur Demokratisierung um Jahre oder gar Jahrzehnte in die Geschichte zurück zu bomben. Nicht gerade beruhigend, wenn man bedenkt, dass Pakistan über weit reichende Atomwaffen verfügt.

Mit politischem Mord haben wir auch in Deutschland leidvolle Erfahrung: Heute vor 89 Jahren, am 15. Januar 1919 wurden in Berlin Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die Führer des linken „Spartakusbundes“, kaltblütig erschossen. Ein Auftragsmord von oben: Den Tätern wurde kaum ein Haar gekrümmt, die verantwortlichen Offiziere sogar freigesprochen. Doch im Gefolge dieser Untat kam es zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen mit Tausenden von Toten. Immer lauter erscholl nun der Ruf nach dem „starken Mann“ - der Rechtsradikalismus war nicht mehr bremsen.

Gewalt gebiert Gegengewalt, sie ist eben kein Mittel der Politik, sondern das Ende der Politik. „Ein natürlicher Nachteil der Demokratie ist, dass sie denen die Hände bindet, die es ernst mit ihr meinen“, sagte der Schriftsteller und ehemalige Präsident der Tschechischen Republik, Václav Havel. Demokratie darf um ihrer Glaubwürdigkeit willen nicht Terror mit Terror erwidern, sonst erledigt sie sich selbst.

Ob wir eine lebendige Demokratie bewahren und festigen können, ob Pakistan und andere Völker demokratisch werden, liegt in der Hand von wirklichen Demokraten. Das sind Menschen, die einerseits in großer Toleranz die Freiheit der anderen achten, sich aber anderseits mutig mit ihnen auseinandersetzen, um gemeinsam einen Konsens zu erringen. Die fähig sind, auch Niederlagen auszuhalten, ohne zu resignieren, Kompromisse einzugehen, ohne dabei ihr Gesicht zu verlieren.

Ein anspruchsvolles Programm, das uns oft schon im gewöhnlichen Alltag in der Familie, am Arbeitsplatz oder im Verein überfordert. Demokratie will ständig neu eingeübt und gelebt sein. Sie muss zur inneren Haltung werden. Nur dann kann sie auch als Staatsform gelingen. Ganz im Sinne von Winston B. Churchill, der einmal sarkastisch bemerkt haben soll, Demokratie sei die „schlechteste Staatsform – von allen anderen abgesehen!“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2924
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