Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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10AUG2019
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Wie geht Versöhnung? Wie kann sie gelingen?

 

Eine Familiengeschichte in der Bibel erzählt davon. Es geht um Josef und seine älteren Brüder. Eine Patchwork-Familie, würde man heute wohl sagen. Von Anfang an gibt es Streit. Alle verhalten sich ungeschickt und schaukeln sich gegenseitig hoch. Der Streit eskaliert, die Brüder verkaufen den wehrlosen Josef in die Sklaverei. Erst nach Jahren treffen sie einander wieder. Aus dem jugendlichen Sklaven ist ein gemachter Mann geworden, geachtet und gefürchtet. Jetzt könnte er seinen Brüdern heimzahlen, was sie ihm angetan haben. Die Macht dazu hätte er. Er aber hilft ihnen. Sie sind tief betroffen.

Dann leben sie erstmal eine Weile nebeneinander her. Bis der gemeinsame Vater stirbt. Der hatte die Familie zusammengehalten. Vor dem hatten alle Respekt. Auch Josef. Nun bekommen die älteren Brüder Angst, wie Josef sich nach dem Tod des Vaters verhalten würde. Würde er jetzt doch noch zurückschlagen?

Jetzt erst trauen sie sich, was sie vorher nicht hingekriegt hatten. Sie gehen zu Josef und sprechen an, was sie damals angerichtet hatten. Sie bitten ihn um Verzeihung. Ich finde es beachtlich, dass sie das Gespräch suchen. Das hat sie sicher einige Überwindung gekostet. Es braucht Mut, so verletzlich und beschämt vor einem anderen Menschen zu stehen.

Und Josef? Der muss mit sich klären, ob er nur wegen des Vaters Ruhe gegeben hatte, oder ob er sich tatsächlich versöhnen will. Er spricht mit seinen Brüdern. Und er reicht ihnen die Hand. Nachdenklich sagt er: „Stehe ich denn an Gottes statt?“

Er ist ein einflussreicher Mann, respektiert und geachtet. Viel mächtiger als seine Geschwister. Aber eins ist für ihn klar: Als Mensch bin ich Bruder unter Brüdern. Mensch unter Menschen. Da hat sich keiner über den anderen zu erheben. Da sitzt Gott auf einem Thron und sonst niemand.

Ende gut, alles gut? Ich weiß nicht. Ich kann mir schwer vorstellen, dass sie je vergessen konnten, was vor Jahren geschehen war. Aber sie sind nicht dabei stehen geblieben. Erst war da eine Geschichte von Menschen, deren Streit aus dem Ruder gelaufen ist. Jetzt ist es eine Geschichte geworden von Menschen, die miteinander gesprochen und sich umeinander bemüht haben. Sie haben begriffen, wir sind Menschen, die gemeinsam vor Gott stehen. Auch das hat ihnen geholfen, einander zu respektieren.

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