Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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05AUG2019
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Man darf keine Schwäche zeigen. Oder doch? Unsre Bundeskanzlerin hat bei einigen öffentlichen Auftritten diesen Sommer gezittert. Und schon fragen sich Menschen: Ist sie jetzt angezählt? Weil sie nicht verbergen konnte, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist?

Kann man es sich leisten, Schwäche zu zeigen? Manche sagen: Bloß nicht! Du musst die Zähne zusammenbeißen. Sonst hast du verloren. Und natürlich keinen Fehler zugeben. Das wäre auch eine Schwäche. Oder sich helfen lassen, jemanden um Rat fragen: Alles ein Zeichen von Schwäche.

Das ist nicht nur ein Thema heutzutage, in unserer Leistungsgesellschaft. Das war schon für Paulus ein Thema. In einem Brief in der Bibel erzählt er davon. Er hatte eine christliche Gemeinde gegründet. Erst fanden ihn viele super. Aber mit der Zeit haben sie gemerkt: Der Mann zeigt Schwächen. Er ist wohl chronisch krank gewesen. Kein kraftstrotzender Manager, der alles mit links schafft. Seine Reden waren nicht wirklich mitreißend. Einmal hat sich ein junger Mann fast das Genick gebrochen, weil er bei einer Predigt von Paulus eingeschlafen und umgefallen ist. Kein gutes Zeichen für einen Redner. Paulus ist nicht so aufgetreten, dass alle hin und weg von ihm waren. Und manche haben ihm das vorgeworfen: „Du zeigst Schwäche. Darum solltest Du hier nicht das Sagen haben.“

Ich vermute, den Paulus hat das getroffen. Er hatte so viel gearbeitet und für die Gemeinde getan. Ich weiß nicht, wie lange er gebraucht hat, um seine Antwort zu finden. Aber er hat seinen Kritikern geantwortet. „Ihr habt recht“, hat er gesagt. „Ich erlebe Zeiten, in denen nichts geht. Und manchmal macht mir das zu schaffen.“ Paulus hat manchmal an sich selbst gezweifelt. Er hat Gott bestürmt: Der sollte ihm mehr Kraft geben, damit er stark auftreten könnte. Gott hat ihm aber nicht geholfen. Zumindest nicht so, wie Paulus sich das vorgestellt hatte. Er ist nicht unendlich stark geworden. Aber er hat gelernt, dass Gott so zu ihm steht, wie er ist. Auch einer wie Paulus darf scheitern und verletzlich sein. Und dass er an seinen Grenzen leidet, das gehört zum Leben dazu. Für Paulus ist wichtig geworden, gerade in solchen Momenten darauf zu vertrauen, dass Gott zu ihm steht. Das hat ihm Kraft gegeben. Und es hat ihm dabei geholfen, sich auch dann anzunehmen, wenn er Schwäche gezeigt hat. Egal, was andere über ihn gedacht haben.

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