Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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01AUG2019
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Es gibt eine Bibelstelle, die ich wie keine zweite mit Ferien in Verbindung bringe. Sie lautet:

Nachdem er sie weggeschickt hatte, stieg er auf einen Berg, um für sich allein zu beten.  Von Jesus ist da die Rede, der offenbar das dringende Bedürfnis hat, sich zurückzuziehen und wenigstens für eine Weile ungestört zu sein. Davor ging’s nämlich anstrengend bei ihm zu. Viele Menschen, die etwas von ihm wollen. Viele Menschen, die Unterschiedliches brauchen. Viele Menschen, die zusammen einen großen Lärmpegel erzeugen, die durch-einanderreden, die einfach in der Masse anstrengend sind. Das ist eben so. Keiner kann etwas dafür. Aber für den, an dem sie Interesse haben, den sie brauchen, ist es eben viel. Zu viel manchmal.

Bei Jesus, so erzählt die Bibel, waren es angeblich fünftausend Leute, die sich um ihn scharen, die Hunger haben, und von ihm erwarten, dass er dem abhelfen kann. Bei mir sind es meistens deutlich weniger, aber auch das kann anstrengend sein. Wenn nach der zweiten Messe am Sonntag nicht nur einer etwas mit mir besprechen will, sondern gleich mehrere. Wenn es in der Schulklasse durcheinander geht, weil es den Schülern schwer-fällt, sich zu konzentrieren. Oft sind am Ende eines Tages immer noch Telefonate oder Emails unbeantwortet, obwohl ich schon eine ganze Menge abgearbeitet habe. Klar, morgen ist auch noch ein Tag. Aber es bleibt einfach eine Last übrig, wenn ich weiß, dass ich nicht fertig geworden bin.

Seit dieser Woche ist es deutlich weniger. Viele Menschen sind verreist, auch von den Kollegen, mit denen ich sonst ständig zusammenarbeite. Ich spüre richtig, dass ich den Kopf freier habe als sonst, und dass sich dort andere Gedanken ansiedeln. Ich lasse ihnen so gut es geht freien Lauf. Es geht dabei um Aufgaben, die ich gut bewältigt habe. Um Menschen, denen ich dankbar bin für ihre Sorge um mich und ihre Treue. Auch um neue Ideen, die mir einfach so in den Kopf kommen.

Jesus hat die Leute damals weggeschickt, sich zurückgezogen, um allein zu sein. Damit hat er sich vermutlich nicht gerade beliebt gemacht. Das mögen die Leute nicht gern. Aber ich verstehe ihn gut. Manchmal muss man einfach allein sein, ganz für sich. Die Bibel sagt, Jesus habe in der Einsamkeit gebetet. Was, verrät sie nicht. Ich glaube: Es hat Jesus genügt zu spüren, dass Gott ihm nahe ist, dass er ihn begleitet auf seinen Wegen, dass er ihm Kraft gibt. Wenn ich in den nächsten Wochen in Ruhe und allein bin, will ich’s genauso machen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29148
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