Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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31JUL2019
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Maßlosigkeit ist eine Todsünde. So hat man früher gesagt. Zu einem Verhalten, das in letzter Konsequenz zum Tod führen kann. Heute spricht man von Wurzelsünden. Weil sie so grundsätzlich sind, dass sie an die Wurzel unserer menschlichen Existenz reichen.

Es gibt eine Maßlosigkeit, die mich zunehmend beschäftigt, weil sie überhandnimmt und – wie ich finde – das Leben von Menschen zerstören kann. Ich meine das maßlose Verlangen nach Leistung. Mir begegnet das an vielen unterschiedlichen Stellen. Beispielsweise an der Schule, wo ich unterrichte. Bei manchen Jugendlichen spüre ich, dass sie unter einem enormen Druck stehen. Sie sind begabt und fleißig und bringen ordentliche Noten nach Hause. Aber das reicht nicht. Ihren Eltern nicht und Ihnen dann oft auch nicht. Und weil ich selbst ein Lehrer bin, der einen Anspruch hat und schon etwas von seinen Schülern erwar-tet, muss ich aufpassen, mich in diesen Leistungsstrudel nicht hineinziehen zu lassen. Wenn ich das merke, achte ich besonders auf zwei Dinge. Zum einen darauf, wieviel ich von jedem einzelnen tatsächlich erwarten kann. Das ist höchst unterschiedlich. Sie sind zwar alle in einer Klasse, aber nicht alle können das Gleiche leisten. Und sie müssen es auch nicht. Es muss nicht jeder sehr gut sein, um in seinem Leben den richtigen Platz zu finden. Dafür braucht es die Gabe der Unterscheidung. Mit der achte ich - zweitens - auf die Person als Ganze. Ein Schüler ist eben nicht nur Leistung. Er findet seine Identität nicht durch die Noten, die er erreicht. Gerade als Religionslehrer achte ich darauf, jedes Mädchen, jeden Jungen zu schätzen, seinen Wert zu erkennen und zu würdigen. Und dazu gehört eben auch, dem Leistungsdenken und den damit verbundenen Ansprüchen Grenzen zu setzen.

Junge Menschen haben ja gelegentlich herausragende Begabungen. Im Sport oder in der Musik. Und es macht ihnen Freude, beim Hürdenlauf oder beim Oboespiel an ihre Grenzen zu gehen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber umso mehr ist es wichtig darauf zu achten, dass sie ihre Grenzen nicht ständig überschreiten. Außergewöhnliche Begabungen können für den Betroffenen auch eine Last sein, vor allem, wenn sie dem Druck nicht mehr Herr werden, unter dem sie dann möglicherweise stehen.

Die Sünde der maßlosen Leistung. Wer nur die Leistung sieht, wer einen Menschen nur über Leistung definiert, versündigt sich an ihm. Das tut dem Menschen Gewalt an. Und respektiert nicht, dass der Mensch viele Bedürfnisse hat. Auch mal nichts zu tun, sich fallen zu lassen und in den Tag hinein zu leben von Zeit zu Zeit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29147
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