Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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30JUL2019
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Busfahren kann ganz schön schwierig sein. Zumindest in Tübingen, wenn man kein Kleingeld hat. Ich habe eine Jahreskarte und fahre fast jeden Tag. Und weil ich im Bus gerne vorne sitze, krieg ich immer wieder mit, was passiert, wenn ein Fremder eine Fahrkarte lösen will. Das ist ja in jeder Stadt anders. In Tübingen kann man sein Ticket nicht beim Fahrer lösen, sondern muss einen Automaten bedienen. Der aber nimmt keine Scheine und er wechselt auch kein Geld. Mit der Karte kann man zahlen, wenn auf dem Geldchip direkt ein Guthaben gespeichert ist. Und für Ungeübte ist es auch schwierig, den richtigen Knopf zu drücken, für den Fahrschein, den man tatsächlich lösen will: Kurz-strecke, Tagesticket, Halber Preis, im Stadtgebiet oder darüber hinaus.

Ein Mann mittleren Alters hatte seine liebe Not, mit all dem zurecht zu kommen. Er ist an der Unfallklinik eingestiegen. Der Fahrer hat ihn mit einem Kopfnicken nach hinten geschickt und sich für nicht zuständig erklärt. Schnell haben sich weitere Probleme ergeben. Aber die haben eine Mitfahrerin und ich gemeinsam leicht bewältigt. Weil der Mann kein Deutscher war, haben wir übersetzt, und herausgefunden, wo er hinfahren will. Die Frau konnte seinen Fünf-Euro-Schein in Münzen wechseln. Und weil er sich mit dem Hantieren schwer tat - mit Gepäck und einer Verletzung an der Hand - habe ich für ihn die richtigen Tasten gedrückt und das Geld eingeworfen.

Was erst so schwierig ausgesehen hatte, war in kurzer Zeit erledigt. Es hat nur offene Augen und ein bisschen guten Willen gebraucht; und dass die Frau und ich zusammen-geholfen haben. Aus der problematischen Ausgangslage ist dann sogar etwas Schönes geworden. Jedenfalls hat es sich für mich total gut angefühlt und auch die beiden anderen hatten ein Lächeln auf dem Gesicht.

Ich habe mir jedenfalls gedacht: Sowas würde ich gerne an jedem Tag einmal erleben. Planen lässt sich das allerdings nicht. Weil ich ja nie weiß, wer gerade in welcher Situation Unterstützung braucht. Und erst recht kann ich nicht vorher wissen, ob dann auch noch ein Dritter in der Nähe ist, der mithilft. Denn so besonders ist es ja da im Bus erst geworden, weil zwei sich in ihrer Hilfe zusammengetan haben. Das war das Highlight dabei: dass unser Zusammenleben funktioniert, wenn einer nicht allein bleibt, sondern mehrere sich verbinden

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