SWR2 Wort zum Tag

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Einer meiner besten Freunde ist schwul. Er selbst und ich wussten erst gar nichts davon. Wir haben uns kennen gelernt, als ich in der Jugendarbeit tätig war. Und ich habe mich Hals über Kopf in ihn verliebt. Wir wurden beste Freunde und ich habe lange Zeit gehofft, dass es irgendwann funken würde zwischen uns... Dies ist nie geschehen. Und nach ein paar Jahren haben wir beide erkannt, warum es bei uns nie mit einer Beziehung geklappt hat. Ich habe es  gemerkt, als ich beobachtet habe, wie er mit anderen Männern umgeht… und auch er hat es erst dann wirklich selbst begriffen, dass er sich zu Männern hingezogen fühlt.

Ich habe ihn bei dem Prozess begleitet, wie er seiner Familie und seinen Freunden mitgeteilt hat, dass er schwul ist. Für ihn ist es kein einfacher Weg gewesen. Für unsere Freundschaft auch nicht – aber wir sind bis heute Freunde geblieben.

Während dieser Phase konnte ich so nah miterleben, dass seine Homosexualität etwas ganz Natürliches ist. Nichts, wofür er sich hätte entscheiden können. Während ich mich weiter neben Studium und Job in der Kirche engagiere, hat mein Freund mir irgendwann gesagt: „Was soll ich in der Kirche. Für mich hat sie keinen Platz.“ Und ich konnte ihm leider nicht das Gegenteil beweisen. Es gibt viele ähnliche Geschichten wie die, die ich mit meinem Freund erlebt habe.

Und ich finde es schade, dass die Kirche es nicht schafft, eine offenere Haltung einzunehmen. Natürlich ist das Thema nicht nur in der Kirche schwierig – erst neulich hat unsere Regierung beschlossen, gegen sogenannte „Schwulenheiler“ vorzugehen. Das sind Ärzte, die meinen, Homosexualität sei etwas Anormales oder etwas, das sich behandeln ließe.

Ich glaube, dass  die kirchliche und die gesellschaftliche Haltung zum Umgang mit   „Homosexualität“ eng zusammen liegen.

Ich weiß, es ist ein großes theologisches Streitthema. Aber für mich ist es ganz leicht: Ich kann nicht an einen Gott glauben, der Menschen ausschließt – weil sie sind, wie sie sind. Jeder Mensch, der an Gott glaubt, ist von ihm auch angenommen. Und dies ist nicht meine rein subjektive Haltung, sondern ein Verständnis, das sich für mich auch aus der Bibel ergibt. Im Buch der Weisheit heißt es: „(Gott,) du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von dem, was du gemacht hast; denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht geschaffen. Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre? Du schonst alles, weil es dein Eigentum ist, Herr, du Freund des Lebens.“( Die Bibel, Einheitsübersetzung 2016, Buch der Weisheit 11,24-26).

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29060
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