SWR2 Wort zum Tag

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Vor kurzem hat der Antisemitismusbeauftrage der Bundesregierung gewarnt: Juden und Jüdinnen sollten in der Öffentlichkeit besser keine Kippa tragen. Die Gefahr, von Rechtsextremen angegriffen zu werden, sei zu groß.

Kurz darauf gab es eine Veranstaltung in Mannheim: Drei jüdische Mitbürger – die 40-jährige Rut und zwei Studenten, Ruben und Noah – haben zu einem Gesprächsabend eingeladen Wir haben uns einfach in einen Stuhlkreis gesetzt und die drei haben zwischen uns gesessen. Wir sollten miteinander ins Gespräch kommen.

Und dann ging´s los mit einer Fragerunde. Es kamen Fragen wie: Gibt es in der Umgebung koschere Supermärkte? Wie ist das mit den koscheren Lebensmitteln? Wo betet ihr? Was muss am Sabbat beachtet werden? 

Rut hat erzählt, dass ihre Tochter auch überzeugt die Kippa trägt. Ich dachte immer, dass die Kippa nur von Männern getragen wird. Traditionell ist das auch so - aber bei den nicht so streng Gläubigen tragen auch manche Frauen die Kippa. Denn sie ist ein Symbol dafür, dass Gott über den Menschen steht. Das gilt eben auch für Frauen.

In dem Gespräch konnte ich erleben, dass sich meine jüdischen Mitmenschen ganz ähnliche Fragen stellen, wie ich. Zum Beispiel, wie sich die religiösen Gebote in die aktuelle Zeit übersetzen lassen können. So, wie auch ich als Christin mich immer wieder frage, was ist der Kern des Evangeliums in die heutige Zeit übersetzt?

Rut hat erzählt, dass sie im Grunde ihren gesamten Jahresurlaub aufbrauchen müsste, um alle jüdischen Feiertage feiern zu können. Da sie sich nicht vorstellen kann, dass Gott das von ihr erwartet, wählt sie einen Mittelweg und feiert nicht alle Feiertage.

Es war ein interessantes Gespräch auf Augenhöhe. Ohne in theologische Fachdiskussionen abzurutschen.  Es ging ganz einfach darum, wie der jüdische Alltag aussieht.

Als die jüdischen Studenten erzählten, dass es in den letzten Jahren mit den Anfeindungen schlimmer geworden sei, konnten das auch Muslime bestätigen, die da waren.  Die überlegen zum Beispiel, ob es besser wäre, die Moscheen mit Überwachungskameras auszustatten.

Natürlich haben wir auch diskutiert – wir waren nicht immer einer Meinung. Aber das hat das Gespräch auch spannend gemacht. Wir haben erkannt, wo sich unsere Religionen unterscheiden, aber wir haben auch gesehen, dass wir vieles gemeinsam haben.

Ich habe viel an diesem Abend über die jüdische Religion gelernt. Aber noch spannender fand ich, dass durch das Gespräch eine Verbindung entstanden ist zwischen allen, die im Kreis saßen. „Ein gutes Gespräch ist wie eine Brücke“ heißt es ja, und das hat sich an diesem Abend für mich wieder einmal vollkommen bestätigt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29059
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