Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

16JUL2019
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Zielorientiert und hartnäckig. Aber auf keinen Fall stur. Das ist wohl die beste Beschreibung für die Frau, die mit Jesus verhandelt.

Jesus ist in Galiläa. Eigentlich möchte er unentdeckt bleiben, aber es spricht sich schnell herum, dass er in der Gegend ist. Und so fällt die Frau sprichwörtlich mit der Tür ins Haus. Sie wirft sich Jesus zu Füßen und bittet ihn, ihrer kranken Tochter zu helfen. Doch Jesus wehrt ab. Er ist schroff und zurückweisend. So ganz anders, als ich ihn mir oft vorstelle.

Jesus fühlt sich für die Frau nicht zuständig, weil sie nicht zu seinem Volk gehört und will sie so schnell wie möglich abwimmeln. Doch die Frau bleibt dran. Und sie ändert ihre Haltung. Am Anfang der Begegnung war sie noch unterwürfig, doch jetzt beginnt sie ein Gespräch auf Augenhöhe.

Die Frau verhandelt, um das Leben ihrer Tochter zu retten. Und zwar ganz im Stil der Verhandlungen, wie es sie auch heute noch im Orient gibt. Da geht es nicht nur darum, das beste Ergebnis rauszuschlagen, sondern auch darum, eine Beziehung zwischen den Verhandlungspartnern herzustellen. 

Die Frau in dieser Erzählung zeigt mir: Es lohnt sich, einen langen Atem zu haben und dranzubleiben: An einer Sache, an einer Idee oder an einer Beziehung.

Die Frau bleibt dran, bringt ein überzeugendes Argument und schafft es, dass Jesus sich ihr zuwendet. Sie hätte ja auch beleidigt oder pampig reagieren können und das Ganze wäre eskaliert.

Aber dass sie Jesus ihren ernst gemeinten Respekt zeigt, verändert die ganze Situation. Denn daraufhin wendet sich Jesus nicht ab, sondern bleibt mit ihr im Gespräch. Er korrigiert seine Position und sagt sinngemäß: „Weil du das gesagt hast, gehe nach Hause. Deine Tochter ist gesund.“ (vgl. Mk 7, 24-30) 

Hartnäckig dranbleiben, aber nicht stur werden. Denn letzteres macht mein Herz eng. Wenn ich stur werde, habe ich keine Chance mehr, es anders zu sehen und die Fronten verhärten sich. Der Unterschied besteht für mich darin, dass ich dem anderen auf Augenhöhe begegne und ihn mit seiner Sichtweise ernstnehme. Dann bleibt die Beziehung zwischen dem anderen Menschen und mir bestehen und dann ist vielleicht mehr möglich, als ich es mir erträumt hätte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29030
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