SWR1 Begegnungen

SWR1 Begegnungen

30JUN2019
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Frank RichterPeter Annweiler trifft Frank Richter

Verstehen heißt nicht akzeptieren.

Der sächsische Bürgerrechtler, Theologe und Politiker brennt für die Demokratie. Klar und leidenschaftlich engagiert der 59jährige sich gegen Rechts.

Es gibt Gegner, sagen wir ruhig: Feinde der Demokratie - die sprechen auch von Demokratie, sie meinen aber keine liberale und pluralistische und solidarische, sondern sie meinen eine völkische, eine autoritäre und nationalradikale Demokratie.

Lieber alarmieren als verharmlosen - das ist Frank Richters derzeitiger Blick auf die politische Lage und besonders auf die neuen Bundesländer. In Sachsen gibt der  Querdenker immer wieder wichtige Anstöße. Zuletzt im Frühjahr mit seinem provozierenden Buch „Gehört Sachsen noch zu Deutschland?“

Nachdem er sich in der Bürgerrechtsbewegung der DDR engagiert hat und in der Kirche gearbeitet hat, ist er unter anderem Leiter der Landeszentrale für politische Bildung gewesen. Jetzt ist er parteiloser Kandidat für die sächsische Landtagswahl im Herbst.

Ich treffe ihn am Rand einer Tagung, wo er über Seelsorge und Politik spricht. Seine feine, humorvolle und kluge Art erreicht mich sofort. Er ist zugewandt und zeigt doch klare Kante.  So  bringt er seelsorgliche und politische Haltung überzeugend zusammen.

Also zunächst möchte ich und muss ich als Demokrat und auch als Christ einem anderen widersprechen, wenn ich seine Einseitigkeiten, seine Grenzen, seine Fehler sehe. Ich tue es nicht, um ihn klein zu machen, sondern ich tue es, um ihn groß zu machen und selber etwas dabei lernen

Dialog heißt für Frank Richter immer auch: Den anderen verstehen wollen - und dabei etwas lernen. Diese Haltung hat ihm auch schon den Vorwurf des „Pegidaverstehers“ eingebracht. Er ist sich jedoch sicher: Verstehen heißt nicht akzeptieren! Und deshalb wirbt er unermüdlich für den Dialog in einer komplizierten Welt.

Ich  glaube, manchmal halten wir die Komplexität und Widersprüchlichkeit nicht aus und neigen dazu, uns dann doch in der eigenen Wahrheit einzugraben und die eigene Wahrheit dem anderen wie einen nassen Waschlappen um die Ohren zu schlagen - und spätestens dann fängt der Bürgerkrieg im Kleinen an.

‚und wie können wir da gegensteuern?’,  frage ich mich: Wenn das mit dem nassen Waschlappen  in den sozialen Medien immer weiter zunimmt, wenn es  so aussieht als ob Gewalt als Handlungsmöglichkeit wieder salonfähig wird? Frank Richter als politischer Christenmensch baut darauf, dass im Christentum eben nicht der Krieg angelegt ist, sondern: der Dialog. Darauf, dass Menschen auch dann weiter miteinander reden, wenn sie verschieden sind:

Ich finde am Christentum so gut, dass es die Spannung hält. Es gibt auch Weltanschauungen oder Religionen, die glätten alles - und dann ist alles einfach. Im Christentum ist nichts einfach, im Christentum ist alles spannend.

„Chefmoderator Heiliger Geist“

Frank Richter ist besorgt über das Klima in unserem Land. Der 59jährige Sachse ist jedoch weder „besorgter Bürger“ noch primär Klimaschützer. Der DDR-Bürgerrechtler, Theologe und Politiker sorgt sich eher darum, wie sich das politische Klima verändert.

Politiker sollten das Ohr an der Masse haben. Das heißt: Sie sollten hören und verstehen, was die Menschen bewegt. Diesbezüglich hat es leider ziemliche Entfremdungsprozesse gegeben. Viele Menschen haben den Eindruck, dass die Politiker sie nicht mehr verstehen.

Und dazu kommt noch der Eindruck. Keiner hat mehr Zeit. Immer schneller, immer hektischer fühlt sich das Leben an.

Wir brauchen Geduld für einander, wir müssen uns Zeit füreinander nehmen. Die haben wir oft nicht, weil wir meinen, wir müssen in dieser Hochgeschwindigkeitsgesellschaft immer mehr leisten, leisten, leisten. Das ist wie ein ICE, der irgendwann vor die Wand fährt.

Und um das zu verhindern, engagiert sich Frank Richter als Brückenbauer, als Moderator. Beispielsweise hat er Pegida-Anhänger empfangen und sich damit Kritik von allen Seiten eingehandelt. Aber trotz Gegenwind - einer ganz einfachen Überzeugung bleibt er treu:

Im Christentum können wir Gott nicht ohne den Menschen denken und die Menschen nicht ohne Gott denken. Das Christliche ist ein dialogisches Unternehmen, vom Heiligen Geist angezettelt.

Mit einander reden ist besser als aufeinander schießen. Wertschätzende Begegnung und streitbarer Dialog sind Kern und Stern des Christentums, davon ist Frank Richter überzeugt. Autoritäre Strukturen sind für ihn nicht mit dem christlichen Gottesbild vereinbar.

Der Chefmoderator im christlichen Glauben  - der heißt: Heiliger Geist und wenn wir genau nachdenken, was in unserem Glaubensbekenntnis steht, dann wissen wir: Da steht: Ich glaube an Gott -Vater, Gott- Sohn, Gott- Heiliger Geist. Das heißt das christliche Gottesbild ist ein offenes und dialogisches.

Das beeindruckt mich: Wenn ein Politiker tragende christliche Überzeugungen mit dem Notwendigen verbindet: Die Gesellschaft spaltet sich weiter. Viele haben Angst vor der Zukunft. Da brauchen wir Ermutigung.

Weil wir von so viel Unsicherheit umgeben sind, meinen wir, wir müssten uns abschotten gegenüber anderen, auch gegen das, was der Heilige Geist uns sagen will. Das hat in der Geschichte noch nie Gutes bewirkt, so schwer wie das auch manchmal sein mag: Wir brauchen diese geistliche Offenheit für einander und für das was, was Gott uns sagen will.

Da frage ich mich zwar, ob wir das auch hören wollen und können. Doch Frank Richter ist hier durch und durch Optimist. Politik und Christentum gehören für ihn zusammen -  und genau darin ist er für mich ein pfingstlicher Mensch:  Er vertraut darauf, dass Menschen sich entwickeln und Strukturen sich verändern können.  Manche finden das vielleicht naiv. Ich bin mir sicher: Seine Botschaft hat etwas damit zu tun, dass er vor 30 Jahren schon einmal ein Pfingstwunder erlebt hat: Als er nämlich 1989 an der gewaltfreien Revolution in der DDR beteiligt war - und  Demonstrationen, Kerzen und Gebete gezeigt haben: Veränderung ist möglich – auch gegen alle Wahrscheinlichkeit.  

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28938
weiterlesen...