Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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29JUN2019
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Gott gibt es nicht. Manche sagen das Die einen ein bisschen schadenfroh, andere scheinen ihn zu vermissen. Neulich habe ich eine Geschichte gehört, die hat mir die Augen geöffnet. „Gott gibt es nicht“. Vielleicht heißt das ja: Es gibt nicht den Gott, den ich mir vorstelle?

Die Geschichte ist von Susanne Niemeyer und sie geht so:
Als Herr M. letztens Gott traf, trug er rote Schuhe. Gott, nicht Herr M. Herrn M. war das peinlich. Es passte nicht in sein Bild. Gott war ein ernsthafter Gott. Kein Clown. Also bemühte sich Herr M. angestrengt, woanders hinzusehen. Und die Schuhe zu ignorieren. Beim nächsten Mal trug Gott Ohrringe mit grünen Steinen. Herr M. versuchte, auch die Ohrringe zu ignorieren. Ohrringe passten ebenfalls nicht in sein Bild.

Als er schließlich wieder auf Gott traf, hatte er sich außerdem eine gelbe Krawatte umgebunden. Da wusste Herr M. nicht mehr, wohin er gucken sollte und schaute weg. Sein Blick ging ins Leere, und er kam nicht umhin, festzustellen, dass Gott nicht existiert.

Soweit die Geschichte. Natürlich können Sie jetzt sagen: So ein Quatsch. Natürlich hat Gott keine roten Schuhe. Und er trägt auch keine Krawatte, weder eine gelbe noch eine grüne.

Aber haben Sie noch nie gedacht: Na ja, im Grünen, jetzt im Sommer bei schönem Wetter unterwegs in der Natur – da finde ich Gott schon, manchmal. Und bei denen, die sich für gute Ideen einsetzen vielleicht auch. Aber in der Kirche? Wo ich mich fremd fühle unter den älteren Leuten und die Musik mir nicht gefällt? Da ist  Gott doch schon längst ausgewandert. Da finde ich ihn bestimmt nicht.

Haben Sie noch nie gedacht: Na ja, in einer ordentlichen Predigt, seriös und sorgfältig formuliert, da kommt Gott sicher zur Sprache. Aber in dem Durcheinander bei einem Familiengottesdienst, wo es manchmal drunter und drüber geht? Wer soll da Gott begegnen? Gott ist ein ernsthafter Gott.

Und in den Suppenküchen, wo nicht mal gebetet wird? In Radioandachten, wo das Wort Gott gar nicht vorkommt? Am Sonntagnachmittag mit den Enkeln, wenn sie quietschen vor Freude beim Hoppereiter spielen und „Opa, nochmal!“ rufen? Das ist schön, sicher. Aber hat das mit Gott zu tun?

Mir sind da neulich die Augen aufgegangen. Ich glaube, ja, Gott begegnet einem oft, in ganz verschiedenen Situationen. Und meistens anders, als ich mir das vorstelle.

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Susanne Niemeyer, 100 Experimente mit Gott

 

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