Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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15JUN2019
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„Mach das nicht, das gibt nur Ärger!“ – wie oft habe ich das schon gehört und meistens war es gut gemeint. Ganze Familien werden von solchen Sätzen bestimmt. „Mach das nicht, das gibt nur Ärger.“ In Firmen, in Vereinen und auch in der Kirche werden mit „vorauseilenden Gehorsam“ positive Entwicklungen verhindert: „Mach das nicht, das gibt wieder einen Aufschrei! Mach das nicht, da haben wir gleich die Öffentlichkeit gegen uns.“

Das ist kein neues Phänomen, ich glaube, das ist einfach menschlich. Die Berichte der Bibel sind schon zweitausend Jahre alt und auch in diesen Berichten gibt es Beispiele für vorauseilenden Gehorsam.

Eines Tages etwa ist Jesus mit seinen Freunden auf dem Weg nach Jerusalem. Er geht zu Fuß. Eine große Menschenmenge sammelt sich immer um ihn, wenn er unterwegs ist. Noch bevor er in einem Ort ankommt, sind schon viele, viele andere da, die vor ihm herlaufen, ihm sozusagen den Weg bahnen. Wenn Jesus selbst dann ankommt, sind viele, viele Menschen direkt um ihn herum. Es geht nur langsam voran. Dabei muss Jesus doch rechtzeitig zu einem großen Fest in Jerusalem ankommen! Immer wieder wird er aufgehalten. Auch ein blinder Bettler sitzt am Rand der Straße und ruft laut: „Jesus, hab Erbarmen! Hilf mir!“. Schon als die ersten Vorboten von Jesus bei ihm ankommen sitzt er da und schreit aus Leibeskräften.

„Mach das nicht, das gibt nur Ärger!“ sagen die zu ihm, die den Weg für Jesus frei machen wollen. Sie versuchen, ihn zum Schweigen zu bringen. Niemand weiß, ob es wirklich Ärger gibt. Aber man hat schon Situationen erlebt, in denen Jesus jemanden geheilt hat – und dann gab es große Diskussionen darum, ob er das zu diesem Zeitpunkt oder überhaupt durfte, ob er die Berechtigung dazu hatte! Es gibt ja immer Sittenwächter, die es ganz genau nehmen.

Die Angst wird zum Ratgeber! Und so eine Störung, wenn sie denn käme, kann man einfach nicht brauchen. Nicht jetzt. Jesus soll doch ankommen.

Der Blinde schreit aber weiter. Er lässt sich nicht bremsen: „Jesus, hab Erbarmen mit mir! Hilf mir!“ – und natürlich hört Jesus seine Rufe, als er selbst in seine Nähe kommt. Die ersten Boten müssen nun das Schlimmste befürchtet haben, denn Jesus lässt den Blinden zu sich bringen. Er unterhält sich mit ihm und er heilt ihn und – das war’s.

Der vorauseilende Gehorsam war voreiliger Gehorsam. Am Ende steht ein Wunder, der befürchtete Ärger bleibt aus. Ob die Menschen, die gerne gehabt hätten, dass „das alles“ nicht passiert, etwas gelernt haben? „Mach das nicht, das gibt nur Ärger“ – das ist oft gut gemeint, aber selten gut.
Die Frage ist nicht, ob es vielleicht Ärger geben könnte. Vielleicht ist die Frage ja, was einen wirklich antreibt: Die Angst oder der Glaube.

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