SWR3 Gedanken

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30MAI2019
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Ich liege auf dem Boden und starre in die hell leuchtende Sternennacht. Nicht in der Natur. Sondern in einem Museum in Malaga. Die Multimedia-Ausstellung „Van Gogh.Alive“ katapultiert mich in die Kunstwerke meines Lieblingsmalers. Auf 800 Quadratmeter werden die Bilder von van Gogh projiziert – quasi „zum Reinlegen“. Auf einem der gemütlichen Sitzsäcke mache ich es mir bequem und erlebe ganz neu, warum ich die Sternennacht von van Gogh so liebe. Denn der expressionistische Maler drückt auch einen Teil von mir in diesem Bild aus. Einen für mich ganz wichtigen Teil. Meine Sehnsucht nach dem Unendlichen. Er malt die Sternennacht, als es ihm besonders schlecht geht. Als er schwer krank ist. Seinem Bruder Theo schreibt Vincent: „Dies hält mich nicht davon ab, ein unbändiges Verlangen nach – soll ich das Wort sagen? – nach Religion zu haben. Dann gehe ich in die Nacht hinaus, um die Sterne zu malen.“ Diese Sehnsucht nach Religion hab ich auch, wenn ich van Goghs Sterne sehe. Sie sind umso heller, je dunkler sich die Nacht dahinter zusammenbraut. Das kenne ich auch aus meinem Leben: Wenn alles aufgewühlt ist. Wenn kleine oder große Katastrophen in mein Leben hereinbrechen. Wenn die dunkelste Nacht aufzieht und ein geliebter Mensch diese Erde verlassen muss: Dann tröstet mich nichts Irdisches. Keine Ablenkung. Kein Kontostand. Dann ist es allein die Religion, das Unendliche, meine Hoffnung auf Gott, was mich trösten kann. Vincent van Gogh hat das so formuliert: „Was Gott von Natur in jede Menschenseele eingegeben hat, was im Innersten einer jeden Seele lebt und liebt, hofft und glaubt, […] dort […]  ist Verlangen nach nichts Geringerem als dem Unendlichen […] und ein Mensch tut wohl daran wenn er sich mit nichts Geringerem zufriedengibt.“[1]



[1] Vincent van Gogh: „Manch einer hat ein großes Feuer in seiner Seele.“ Van Gogh.Die Briefe, Verlag C.H. Beck

               

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