SWR3 Gedanken

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28MAI2019
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Eine Frage an die wohl mächtigste Frau Deutschlands. Vor einem Millionenpublikum. Diese Chance hatte Alexander Jorde 2017 in der Wahlarena der ARD. Und er hat sie genutzt. Alexander Jorde, in der Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger, fragt Angela Merkel vor laufender Kamera: „Im Artikel 1 des Grundgesetzes steht, die Würde des Menschen ist unantastbar. Jetzt habe ich es in einem Jahr im Krankenhaus und Altenheim erlebt, dass diese Würde tagtäglich in Deutschland tausendfach verletzt wird. Es gibt Menschen, die liegen stundenlang in ihren Ausscheidungen […] Die Pflege ist so überlastet […]. Es gibt Schichten, da ist man mit zwanzig Patienten pro Pflegekraft […] und da muss es auch möglich sein mehr Geld in die Pflege zu stecken, oder?“ Nach dieser Frage war das Thema „Pflegenotstand“ im Wahlkampf angekommen. Alexander Jorde kämpft weiter und schreibt ein Buch mit dem Titel „Kranke Pflege“. Ich rufe ihn an und der 23-Jährige erklärt mir, warum er das gemacht hat: „Ich wollte die Systemfrage stellen. Ich und viele meiner Kollegen haben eine Grundhaltung zum Pflegeberuf, die wollte ich beschreiben. Und zeigen, dass wir sie im derzeitigen System nicht leben können.“ In seinem Buch beschreibt er diese Haltung so: „Die meisten Menschen wünschen sich eine Hand, die Wärme und Nächstenliebe spendet.“

Das trifft für ganz viele der Schwestern und Pfleger zu. Sie haben Hände, die Wärme und Nächstenliebe spenden. Ohren, die zuhören. Augen, die den ganzen Menschen sehen. Nicht nur seine Krankheit. Aber sie stehen unter einem solchen Zeitdruck, dass sie nicht so arbeiten können wie sie es möchten.

Es braucht an Stelle von Profit mehr Personal. Alexander Jorde weiß, dass dies nur gelingt, wenn der Pflegeberuf einen anderen Stellenwert bekommt. „Was ist uns Pflege wert? Und wie reden wir über den Pflegeberuf?“ Diese Fragen stellt er der ganzen Gesellschaft, auch mir.

Und wie Alexander Jorde finde ich: Unsere Gesellschaft braucht Menschen, die ihren Pflegeberuf als Berufung leben. Und ich möchte, dass diese Menschen im System der Gewinnmaximierung nicht zerrieben werden.                                                                

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28721
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