SWR1 Begegnungen

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05MAI2019
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Schwester Ursula Hetewich, Foto: Bruno SonnenBruno Sonnen trifft Schwester Ursula Hertewich

Die 43-Jährige stammt aus einer alteingesessenen saarländischen Apothekerfamilie, studierte Pharmazie und arbeitete mehrere Jahre in der elterlichen Apotheke in Wadgassen. Heute ist sie Arenberger Dominikanerin. Wie kam es dazu, will ich als erstes von ihr wissen, als wir uns an einem sonnigen Frühlingstag in ihrem Kloster im Koblenzer Stadtteil Arenberg treffen.

Das frage ich mich manchmal auch wie das eigentlich passiert ist. Ich war schon von Kindheit und Jugend an ein Mensch, der sehr intensiv Gott gesucht hat, die Frage nach Gott war mir wirklich wichtig, seit ich denken kann. Und dann war es so, dass ich mit 23 Jahren Apothekerin war, und dann auch relativ bald promoviert habe und irgendwie so mit 25 war eigentlich alles super in meinem Leben, aber ich hab irgendwie gemerkt, mir fehlt was.

Und so machte sie sich auf die Suche, ging zur Beratungsstelle „Berufe der Kirche“, kam in Kontakt mit dem Kloster Arenberg

Ja und ich kam das erste Mal hierher im Januar 2003 und muss gestehen, dass an einem Tag alle meine Vorurteile wie ein Kartenhaus zusammengebrochen waren, ich hab hier ganz bodenständige Schwestern vorgefunden, sehr weltverbunden, sehr lebendig und überhaupt nicht verschroben, einfach auch glücklich und das hatte auf mich ne ganz große Ausstrahlung und da hab ich gedacht, boh die Frauen leben genau das was du dir für dein Leben wünschst. Da sind nicht die Klostermauern, die uns abschotten, sondern ne ganz große Herzensoffenheit für alle möglichen Menschen, und das hat mich sehr begeistert hier, und ja, so kam es, dass ich dann drei Jahre später eingetreten bin.

Dass sie sich bei den Dominikanerinnen von Anfang an wohlfühlte und bis heute ihre Entscheidung nie bereut hat, mag auch mit daran liegen, dass der Arenberg ein durchaus besonderes Kloster ist. Hierher kommen Menschen, die eine Auszeit nehmen wollen, Kraft tanken, etwas für Körper, Geist und Seele tun wollen. Die Schwestern und ihre Mitarbeiter betreiben ein Gästehaus mit fast 100 Betten, Kloster Arenberg ist zwar keine Kurklinik, aber es gibt ein reiches Angebot an Kursen, Anwendungen und Therapien nach ganzheitlichen Prinzipien, Massagen, Gymnastik, Vorträge, Meditation, Musik. Der Arenberg gilt als Wellness-Kloster. Schwester Ursula gehört zum fünfköpfigen Seelsorge-Team.

Ich leite mit meinen Kollegen jeden Morgen Morgenimpulse, wir wechseln uns da immer ab, dann auch Nachtimpulse, Gesprächskreise, aber meine Hauptaufgabe sind einfach Einzelgespräche, weil viele einfach persönlich das Gespräch suchen während ihres Aufenthalts und daher sitze ich eigentlich  jeden Tag mehrere Stunden hier und höre zu - was ich aber auch sehr gerne mache.

Die Menschen, die kommen, sind ebenso verschieden wie ihre Themen, Anlegen, Sorgen und Sehnsüchte, erzählt Schwester Ursula.

Das sind nicht immer nur die schweren Krisensituationen, das sind aber allgemein Menschen, die sagen, ja, ich möchte bewusst einen Schritt setzen oder bewusst eine Entscheidung fällen, wo ich dann einfach zuhöre und auch so einfach sage, was ich wahrnehme, mehr tue ich eigentlich gar nicht, so und, ja, das ist ganz bunt, und das liebe ich eigentlich auch so, ich weiß nie, was am Tag auf mich zukommt, und von größten Katastrophen bis wirklich wunderbaren Geschichten ist alles dabei.

Bevor sie ins Kloster eintrat, hat sie Pharmazie studiert und in der elterlichen Apotheke im Saarland gearbeitet. Familienleben war ihr immer wichtig, und zwischen Kloster- und Familienleben gibt es durchaus Gemeinsamkeiten, findet sie. Die Familie, in die man hineingeboren wird, kann man sich genauso wenig aussuchen wie die Mitschwestern im Kloster, sagt sie

Also das ist vielleicht das, was Familie vielleicht ausmacht, dass man ein Miteinander versucht, man ist sich anvertraut, manchmal auch zugemutet und in diesem Setting versuchen wir Gemeinschaft zu leben, also es hat schon was Familiäres, ja.

Wer sich mit Schwester Ursula unterhält, der merkt schnell: Da ist ein Mensch, der seine Erfüllung gefunden hat, der angekommen ist, der Ausstrahlung hat, dessen Begeisterung ansteckend ist. Was macht ihren Glauben aus, was ist wichtig für sie, will ich wissen.

Für mich hat der christliche Glaube eine ganz große Weite, also wenn ich zum Beispiel das Evangelium lesen, dann bin ich immer wieder ergriffen, auf welche Weise Jesus mit den Menschen unterwegs war, und da gibt es einfach nichts, was nicht sein darf in der Beziehung zu Gott, also im Evangelium ist eigentlich so das ganze Menschsein drin, und das ist das was mich immer so fasziniert, Gott sagt nicht irgendwann, so, ich habe keine Lust mehr auf euch, macht euren Kram allein, sondern dieses immerwährende Mitgehen und auch ins Leben hinein befreien was Jesus auch mit den Menschen gelebt hat, also das ist das was mich wahnsinnig fasziniert, und das möchte ich gern auch in die Welt hineintragen, genau dieses Befreiende, die Freude, die nicht oberflächlich ist, sondern wirklich tief gründet, also das ist etwas was mich total begeistert, und wo ich sach, ja, das möchte ich gerne auch vermitteln.

Wer so glaubt und lebt wie Schwester Ursula, für den ist also alles klar, könnte man meinen, Fragen und Zweifel gibt es nicht. Doch so einfach ist das nicht, weder bei ihr noch bei ihren Mitschwestern. Auch da gibt es Höhen und Tiefen, Auf und Ab im Glaubensleben, erzählt mir Schwester Ursula. Und sympathisch und vertraut ist  mir auch das, was sie am Ende auf meine Frage antwortet, wer Gott für sie ist.

Auf der einen Seite der allernächste und auf der anderen Seite der den ich überhaupt nicht verstehe, ich hab da im Moment gar kein festes Bild mehr von ihm, ich kann nicht sagen, er ist der Freund, er ist der Hirte, er ist aber irgendwie der, der da ist, manchmal wenn er vielleicht am weitesten weg ist, ist er vielleicht auch am nächsten, der der da ist, ich bin da, das ist er.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28612
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