Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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11MAI2019
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„Ein geeintes Westeuropa soll die Vorstufe zu den Vereinigten Staaten von Europa sein, zu dem ich auch alle Völker Mittel- und Osteuropas rechnen möchte.“ hat 1966 ein prominenter deutscher Politiker bei einer Rede in Stuttgart gesagt. Das ist mehr als ein halbes Jahrhundert her. Es war Franz Josef Strauß. Er war bayerischer Ministerpräsident und Bundesminister in verschiedenen Ressorts. Den Fall der Mauer und die Erweiterung der Europäischen Union Richtung Osten hat er nicht mehr erlebt. Für mich als Jugendlicher und junger Erwachsener in den 70er und 80er Jahren war Franz Josef Strauß Vertreter einer konservativen Politik. Er hat Positionen vertreten, die ich ablehnte. Heute rückblickend, was die europäische Frage betrifft, ist er für mich ein Visionär.

Strauß hat damals maßgeblich an der europäischen Einigung mitgewirkt. Für Franz Josef Strauß war die Europäische Union nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern auch eine Wertegemeinschaft. Wichtig waren ihm christliche Werte wie Gerechtigkeit, Nächstenliebe und Toleranz. Deswegen hat er sich als deutscher Politiker für ein geeintes, offenes, vielfältiges und humanes Europa eingesetzt. Er war überzeugt: Freiheit und Menschenrechte müssen jeden Tag geschützt werden.

Die meisten europäischen Politiker quer durch die Parteienlandschaft haben inzwischen erkannt, dass es viele Themen gibt, die national nicht mehr gelöst werden können: Umweltschutz, Arbeitslosigkeit, Migration, Digitalisierung, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Das alles erfordert eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Ländern. Ich glaube, dass das ohne ein stärkeres Europa nicht erreicht werden kann und auch christliche Grundwerte nicht umgesetzt werden können.

Franz Josef Strauß soll gesagt haben: „Bayern ist meine Heimat, Deutschland mein Vaterland und Europa ist die Zukunft.“ Als Jugendlicher habe ich von den Vereinigten Staaten von Europa geträumt, von denen er sprach. In meiner Vorstellung setzten sich diese Vereinigten Staaten aus den verschiedenen Sprachen und lokalen Besonderheiten Europas zusammen. Europa ist für mich kulturelle und religiöse Vielfalt. Ich hoffe nach wie vor, dass immer mehr Europäer eine solche bunte Identität entwickeln, auf die sie stolz sein können.

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