Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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02MAI2019
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Erst ist einer ganz allein. Das Wunschkind seiner Eltern. Der erste Enkel womöglich. Liebling von Papa und Mama, Oma und Opa, Onkeln und Tanten. Und dann kommt noch einer. Oder noch eine. Noch ein Wunschkind. Der erste muss teilen. Man sagt ihm: Du musst dein Brüderchen lieb haben. Aber warum sollte er? Eigentlich nimmt der ihm doch die Hälfte weg von dem, was ihm vorher allein gehört hat… Der klassische Konflikt unter Geschwistern. Eltern brauchen Geduld, um das auszugleichen.

Die Bibel erzählt von Kain und Abel, dem ersten Geschwisterpaar der Menschheit. Kain war der erste. Ein Wunder für seine Eltern. Geliebt. Stark. Bodenständig. Später wurde er Landwirt. Und dann kam der Zweite. Von Anfang an ein bisschen schwächlich. Sie gaben ihm den Namen Abel, das heißt „Hauch“. Er brauchte mehr Pflege, mehr Zuwendung. Es sah so aus, als ob sie ihm mehr Liebe gäben – er brauchte einfach mehr. Als Abel erwachsen wurde, war er ein Hirte. Und dann auch noch das: Bei einem Opferfest freute sich Gott anscheinend mehr über Abels Opfer als über Kains. Warum? Vielleicht fand auch Gott, dass Abel mehr Anerkennung brauchte. Die Bibel nennt keinen Grund. So ist das ja oft. Was geschieht, ist nicht immer gerecht. Und es gibt keinen Grund dafür.

Wahrscheinlich wissen Sie, wie die Geschichte zu Ende ging. Kain wird so wütend, dass er seinen Bruder erschlägt. Und ist ab sofort ein Mörder. Wenn Gott ihm nicht ein Schutzzeichen gemacht hätte, erzählt die Bibel, hätte man ihn gejagt und wohl auch getötet.
Warum hat Gott den Mörder behütet? Auch dafür wird kein Grund genannt.

Solche Konkurrenzsituationen gibt es aber ja nicht bloß unter Geschwistern und in Familien. Von Anfang an gab es das zum Beispiel auch zwischen Völkern. Die einen mussten ihre Heimat verlassen, weil es nicht mehr genug zu essen gab, weil andere sie mit Krieg überzogen haben, weil Eroberer gekommen sind. Sie ließen sich anderswo nieder – aber da waren schon Einheimische. Erstgeborene. Andere eben. Konflikte waren und sind beinahe unvermeidlich. Dabei sind sie alle Menschen. Geschöpfe desselben Gottes.

Kann es anders gehen zwischen Menschen? Friedlich? Gott hat damals den Mörder gefragt: Wo ist dein Bruder? Er hätte wohl auch fragen können: Wie geht es deinem Bruder. Und Kains Antwort war: „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“

Ja, würde ich sagen. Gott behütet sogar diesen Mörder. Und gibt uns Geschwister, damit wir einander behüten können und nicht böse Konkurrenten  werden. In der Familie, aber auch über die Familien hinaus.

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