Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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18APR2019
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Bei uns im Ort wird gerade ein Haus abgerissen. Auf dem Weg zum Kindergarten kommen wir fast täglich dran vorbei. Jeden Tag gehen die Arbeiten ein Stück weiter. Erst sind Fenster und Türen ausgebaut worden. Dann die Dachziegel abgedeckt. Das Dachgestühl entfernt. Am Schluss hat man nur noch die Mauern gesehen. Und dann ist der Bagger gekommen.

Die Kinder hatten da natürlich viel zu schauen. Ich auch. Und ich habe in dieser Zeit gemerkt, wie nahe mir so ein Haus-Abriss geht. Ein Haus ist eben mehr als seine Bestandteile, mehr als nur Steine und Holz. Irgendwann ist es sorgfältig geplant und gebaut worden. Dann sind Menschen eingezogen, haben dort gelebt, geliebt, gestritten, Schönes und Schweres erlebt, Geburtstagsfeiern und Wasserrohrbrüche. Viele Jahrzehnte lang.… und jetzt geht das alles in wenigen Wochen zu Ende. Das ist ein schwerer Abschied, finde ich.

Es gibt Menschen, die erleben genau das mit einem anderen Menschen. Da hat man jemanden jahrzehntelang gut gekannt, so viel erlebt miteinander. Und dann merkt man plötzlich, wie er abbaut von Mal zu Mal. Bei jeder Begegnung wird es weniger. Und der Abschied bahnt sich an. Das ist zum Weinen.

Heute ist Gründonnerstag. In den Gottesdiensten an diesem Tag geht es darum, wie Jesus ein letztes Mal mit seinen Freunden am Tisch gesessen hat – und sie mussten von ihm Abschied nehmen. Schon in den letzten Tagen und Wochen hatten sie gemerkt, dass es gefährlich wurde für Jesus. Er hatte Andeutungen gemacht, vom Sterben gesprochen. Und am letzten Abend lagen Verrat und Verhaftung in der Luft. Ein Abend zum Weinen. Wie bei jedem schweren Abschied.

Der Gründonnerstag zeigt mir aber auch: Ich bin dann nicht allein mit meiner Wehmut. Auch anderen geht es nah, wenn etwas zu Ende geht. Und es tut gut, dann beieinander zu sein.

In den Gottesdiensten heute Abend sitzen Christen zusammen, wie Jesus damals mit seinen Jüngern. Sie essen und trinken miteinander. Erinnern sich an das zusammen Erlebte. Spüren, was Kraft gibt, auch in schweren Stunden. Und sie bitten um Gottes Beistand. Gemeinsam steht man sie nämlich oft besser durch, die Abschiede.

Vielleicht sind Sie da ja auch mit dabei heute Abend. So oder so: Ich wünsche Ihnen Kraft zum Abschied-Nehmen, wenn Sie sie brauchen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28475
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