Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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12APR2019
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Bitte nicht erschrecken, wenn ich jetzt von Terroranschlägen rede. Es gab keinen gestern. Glücklicherweise. Trotzdem oder gerade deswegen möchte ich heute ohne aktuelle Betroffenheit über etwas reden, was bei Terroranschlägen oder Amokläufen immer wieder passiert. Und mich nervt, ja ziemlich ärgert. Dass immer wieder die Bilder dieser Massenmörder in den Medien verbreitet werden. Der Gipfel dieses kapitalen Medienfehlverhaltens war der Anschlag in Christchurch Neuseeland vor 4 Wochen. Dort hat sich einer der Attentäter vor und während seiner Untat gefilmt. Und was machen viele, zu viele der Medien? Sie verbreiten dieses Video oder das Foto dieses Unmenschen auch noch weiter! Dass das in den sogenannten „sozialen Netzwerken“ geschieht, war leider zu erwarten, so zynisch und menschenverachtend wie es in dieser virtuellen Vorhölle teilweise zugeht. Dass aber seriöse Medien wie meine Tageszeitung sein Foto groß veröffentlicht haben, macht mich fassungslos und wütend. Dieses mediale Fehlverhalten bewegt sich zwischen Dummheit und Fahrlässigkeit. Denn das ist es doch genau was diese Mörder wollen: weltweit bekannt werden, ja zeitlos berühmt, gerade auch dann, wenn sie bei ihren Verbrechen selbst zu Tode kommen. Jedes Mal muss ich mir das Passfoto des Mörders vom Breitscheidplatz anschauen, selbst wenn Monate später im Fernsehen irgendetwas über den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt berichtet wird. Was soll das? Was hat das Foto eines Massenmörders in den Medien zu suchen, wenn es nicht zur Fahndung gebraucht wird? Ist es ganz einfach unbedacht? Gewohnheit? Oder weil Bildmedien eben Bilder brauchen? Oder ist es gar die Faszination des Bösen, dem die Medien dabei erliegen? Mit jedem Foto, das von einem Massenmörder veröffentlicht wird, heben die Medien seine Untat hervor und verhöhnen damit die Opfer. Und vor allem: sie schaffen Vor-Bilder für andere vernichtungswütige Männer und nähren deren Bereitschaft vom zerstörerischen Gedanken zur tödlichen Tat zu schreiten. Darum plädiere ich für die Verbannung der Untäter aus dem kollektiven Gedächtnis. Ich plädiere für die Tabuisierung der Fotos von ihnen in den Medien. Keine Namen von ihnen und keine Bilder! Und wenn auch nur ein Mensch dadurch vor einem gewaltsamen Tod und seine Angehörigen vor unendlichem Schmerz bewahrt werden, dann hat diese Ächtung ihren Zweck schon erfüllt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28452
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