SWR1 Begegnungen

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Professor BayerBegegnungen, heute von der Evangelischen Kirche mit Peter Annweiler 

... und mit Dirk Bayer. Der Mann ist unkonventionell und kreativ. Er ist Professor am Fachbereich Architektur an der TU Kaiserslautern. Zugleich führt der 50jährige mit seiner Frau - ebenfalls vom Fach - ein freies Architekturbüro. Und: Er gehört zu einer Minderheit unter den Architekten. Seinen Gestaltungswillen setzt er nämlich oft für Kirchenräume ein. Eher beiläufig hat sich das 2004 rund um den Kirchbautag in Stuttgart ergeben:

Ich  hab damals einfach nur die Hand gehoben und gesagt: Mich interessiert das schon als junger angehender Architekt: Ist doch vielleicht eine Königsaufgabe, nen Sakralbau zu machen. So hat man es ja aus der Baugeschichte auch gelernt. 

Seine Vorliebe für die „Königsaufgabe“  führt ihn dazu, sich einer kreativen  Gruppen namens „Kirchentrojaner“ anzuschließen: Kleine Verrücktheiten und viele  Gespräche über die Zukunft von Kirchenräumen sind bis heute ihr Markenzeichen.

Sonntags in der Matthäuskirche wurden einmal alle Gesangbücher nach vorne hinter den Altar gestellt - und alle waren irritiert, mussten nach vorne an der Pfarrerin vorbei, sich das Gesangbuch nehmen und hatten dann natürlich nen ganz anderen Konmunikationsort am Anfang  - das war ganz schön.

Und dann haben die Kirchentrojaner im Gottesdienst Haare geschnitten und andere schräge Dinge gemacht. Immer, um Gemeinden wach zu rütteln und zu fragen: Wie „heilig“ ist ein Kirchenraum eigentlich? Und wie viel „Welt“ darf in ihm vorkommen?

Im strengen Sinn gibt es im evangelischen Verständnis ja gar keine heiligen Räume. Luther hat sogar mal gesagt, Christen können auch im Kuhstall ihren Gottesdienst feiern. Das stimmt für mich zwar theologisch. Aber dennoch freut mich, dass auch in meiner evangelischen Kirche ein neues Bewusstsein für schöne Kirchen gewachsen ist. Räume, die der Gegenwart Gottes in der Welt gewidmet sind. Kostbare Zonen, zum Nachdenken und Umkehren. Zum Beten und Singen. Wöchentlich werden sie oft nur für ein paar Stunden genutzt. Ein wirtschaftlicher Unsinn ist das zwar - aber doch so wichtig: Für seelische, kirchliche und kulturelle Gesundheit in unserem Land. Der Architekt stimmt mit mir überein und formuliert doch ganz anders.

Wenn ich einen Profanbau habe, habe ich immer so diese Zweckerfüllung. Das unterscheidet ja - glaube ich - den Architekten vom Künstler. Wir sind immer einer Funktion verpflichtet. Aber beim Sakralbau wird genau diese Funktion aufgelöst: Aus der reinen Zweckerfüllung so was Spirituelles, mit einem Raum, der nun einem dient, einfach mit diesen Grundelementen von Länge, Breite, Höhe und Licht auskommt.

Ja, das ist das Starke an Kirchenräumen: Sie sind der alltäglichen Zweckerfüllung enthoben. Sie lassen eine andere, hellere  Welt aufscheinen. Als ob es in ihnen ums Ganze geht.

So „ein bisschen“ kann man das gar net machen. Man muss das von Grund auf denken, man muss immer die Grundsatzfrage stellen und ich weiß das: Alle Emotionen hängen da dran.

Wie Dirk Bayer dabei mitwirkt, Kirchenräume in diesem Sinn umzugestalten und attraktiv zu halten - davon erzähle ich gleich nach dem nächsten Titel.

Teil 2: Last am Kirchenraum

Seine Vorliebe für Kirchenräume tut gut, besonders in Zeiten, in denen Gemeinden oft über die Last der Gebäude stöhnen:  Dirk Bayer ist Architekt und lehrt an der TU Kaiserslautern. Der 50jährige Vater dreier Töchter verteidigt die „echten“ Räume mit ihren Mängeln gegenüber virtuellen Räumen. Selbst mit Mängeln sind Kirchen unersetzbar, weil sie Lust am Raum machen.

Es gibt ja auch so ein Portal „Virtuelle Kirche“. Aber ich glaub’ es ist besser, wenn es  auch mal durch ein Dach reinregnet und man wird nass. (lacht)

Vielleicht ist das die Realität vieler kleiner Kirchengemeinden: Die Gebäude sind eher ein Klotz am Bein als Schätze. Da braucht es Lust und einen langen Atem, wenn man etwas verändern will.

Bei unserem Gespräch in Dirk Bayers Büro umgeben mich Modelle von Umbauten: Eine Drehung der Achse im Kirchenraum. Ein Einbau zur Verlagerung von Gemeinderäumen unter das Dach der Kirche. An machbaren Ideen mangelt es nicht.

Genau in diesen kleinen Projekten liegt die Spannung und auch unser Interesse. Weil ich glaube, es passiert nicht in Paris, London, New York, Peking oder in der großen Welt, sondern es passiert vielleicht am Ende in Kusel, Hütschenhausen, wo man auf einmal was Neues kreiert, was in die Welt wieder rausstrahlt.

Das Lob der Provinz überrascht mich genauso wie das Heitere und Jugendliche, das sich der Kaiserslauterer Architekt bei aller Zähigkeit der Aufgaben bewahrt hat.  Da hat sich einer Kirchenräumen verschrieben und gestaltet mutige Umnutzungen. Auch Neues hat der Mann schon gebaut wie den Kirchenpavillon auf dem Gelände der Gartenschau in Landau.

Wir haben eine Grundradikalität. Wir können uns viel vorstellen, wir haben nicht die Angst,  was falsch zu machen, sondern sind sehr offen in der Diskussion - und wenn man dann eine starke Pfarrerin oder Pfarrer hat, der das mitgeht und seine Liturgie im Griff hat und ein Ziel vor Augen hat, wo er eigentlich hin möchte, dann macht das richtig Spaß, diese Dinge zu formen. 

Welch’ eine schöne Haltung, wenn die Freude am Gestalten erhalten bleibt und nicht die Mühen und Mühlen der Gremien, der Finanzierung oder der Verwaltung den Schwung bremsen.

Wenn dann noch das Miteinander der Aufgaben und Professionen dazu kommt, gelingt es mühelos, Stillstand zu überwinden und Zukunft zu gestalten. Kirchen sind Gestaltungsräume für Architekten und Theologen. Kirchensollen Spielraum schaffen: Räume, die durch ihre Gestaltung Gott ins Spiel bringen: Im Licht, in Farben, in Weite.

Dirk Bayer sieht in dieser Aufgabe das Fundament für die Zukunft: 

Genau das macht ja auch unser Glaube aus, dass wir uns Dinge vorstellen, die gar nicht so richtig greifbar sind. Und daran arbeiten wir uns ja ab und kommen auch ein Stück weiter.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28389
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