SWR1 3vor8

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Schwäche zeigen ist uncool. Wer gibt schon gern zu, dass er schwach ist. Nicht gut widerstehen kann, wenn die Versuchung zu groß ist. Egal ob es um Süßes geht oder dass er sich nicht traut, den anderen endlich die Wahrheit zu sagen. Schwäche zeigen tut keiner gern. Ich auch nicht.  

In der Bibel ist eine Art Predigt aus der Zeit der ersten Christen abgedruckt, der sogenannte Hebräerbrief. Der Verfasser findet es anscheinend ganz selbstverständlich, dass Menschen schwach werden. Christen auch. Wie man damit leben kann, ohne sich selbst total uncool zu finden, davon handelt der Bibelabschnitt, der heute in den evangelischen Gottesdiensten zur Sprache kommt (Hebr 4, 14-16).

Die Schwäche der Christen damals, das war wohl ihre Ungeduld und ihr Frust. Sie hatten gehofft, dass das Paradies für sie bald anfangen würde. Aber immer noch wurden sie bedroht und angefeindet, von ihren Mitbürgern und auch vom Staat. Ihre Erfahrung war, dass sie nicht vorankommen konnten, weil sie anders glaubten als die Mehrheit im Land. Da war es für viele verlockend, sich anzupassen. Das war ihre Versuchung und viele sind schwach geworden.

Was ist meine Versuchung heute – als Christin? Als Staatsbürgerin? Wo werde ich schwach?
Vielleicht auch die Anpassung? Der Kalender für die Fastenzeit, die gerade angefangen hat, erinnert mich an den Umgang mit der Wahrheit. Da ist die Versuchung besonders groß, sich anzupassen. Politiker sagen, was ihre Wähler hören wollen. Oder was zu ihrem Parteiprogramm passt. Sie verschweigen, was Ärger bringt. Das glauben und sagen viele. Aber auch das ist längst nicht immer die Wahrheit.

Und es ist auch zu einfach, wenn ich nur auf die anderen zeige. Wie ist das denn mit mir und der Wahrheit? Mal will ich den anderen schonen. Mal will ich gefallen. Dann verschweige ich, was auf den Tisch sollte. Ich sage, was die anderen von mir erwarten. Oder ich übertreibe ein bisschen, damit andere sich überzeugen lassen. Das ist eine meiner Schwächen und manchmal schäme ich mich dann hinterher. Denn irgendwann kommt es ja doch heraus, was wahr ist.

Muss ich mich damit abfinden, dass ich nun mal so bin? Schwach? Muss ich sagen: Immer bei der Wahrheit bleiben, dafür bin ich zu schwach? Die anderen lügen doch auch? Da ist die Versuchung groß.

Der Hebräerbrief sagt mir heute: Einer versteht das, dass du immer wieder schwach wirst. Jesus Christus. Der ist auch schwach geworden. Und hat doch den Weg gefunden zu Gott. Bleib in seiner Nähe. Orientiere dich an ihm. Trotz deiner Probleme mit der Wahrheit. Und so gemeinsam auf dem Weg, kann ich vielleicht leichter bei der Wahrheit bleiben.

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