SWR2 Wort zum Tag

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Obstbäume faszinieren mich. Manche werden zur Zeit beschnitten, andere treiben schon Knospen. Und dann blühen sie. Meine Vorfreude auf das Frühjahr wächst mit. In der Bibel stehen Obstbäume unter besonderem Schutz. Es gilt als ein Kriegsverbrechen, sie zu fällen. Es heißt: „Wenn du eine Stadt belagerst, „um sie zu erobern, so sollst du ihre Bäume nicht verderben oder mit Äxten umhauen.“ (5. Mose 20,19). Sie zu erhalten heißt, Lebensgrundlagen bewahren. Wenn es noch eines Schutzpatrons für Obstbaumwiesen bedarf – ich wüsste einen:

Korbinian Aigner - ein katholischer Priester aus Oberbayern. Der war sein Leben lang dem Obstanbau verbunden. Schon während seines Theologiestudiums. Da hat er sich, wo er nur konnte, ein enormes Wissen über Obstbau angeeignet. Und: Er konnte mehr als nur Äpfel und Birnen unterscheiden.

Bereits 1933 – auf seiner ersten Pfarrstelle -  kam er in Konflikt mit dem Nationalsozialismus: Er weigerte sich aus Anlass der Reichstagswahlen die Glocken zu läuten. Und 1939 - nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler - soll er im Religionsunterricht Verständnis für den Attentäter geäußert haben. Er wurde von der Mutter eines Kindes denunziert, kam ins Gefängnis und schließlich 1941 ins Konzentrationslager Dachau.

Da wurde Korbinian Aigner als Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft eingesetzt. Und das war der richtige Ort für ihn. Heimlich hat er dort Sämlinge aus Apfelkernen gezüchtet, die aus dem Lager geschmuggelt wurden. Ich staune: Wie kommt ein Mensch dazu in größter Not und Qual eine Apfelsorte zu züchten?

Martin Luther wird das Wort nachgesagt: Wenn Morgen die Welt unterginge, dann würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen. Aber Korbinian Aigner – so kommt es mir vor - übertrifft diese unfassbare Zuversicht noch: im Konzentrationslager züchtet er Apfelsorten.

Großartig finde ich das! Da ist einer, der lässt sich in Leid und Not nicht beirren. Der züchtet  in aussichtsloser Lage Obstbäume. Und weckt so Hoffnung auf eine fruchtbare Zukunft. Über 50 Jahre lang hat Korbinian Aigner kleine Portraits von Äpfeln und Birnen gemalt - mit einfachen Wasserfarben. Über 900 - in Originalgröße.

Für mich ist auch das ein Schatz für die Zukunft, dass wieder einmal eine größere Artenvielfalt gedeihen kann.´Eine seiner Züchtungen in Dachau nannte Aigner KZ 3. Es ist der bis heute angebaute und sehr schmackhafte Korbiniansapfel. Ich will so einen Korbian-Hoffnungssapfelbaum vor unsere Kirche pflanzen. Und hoffe sehr, das trägt Früchte. Äpfel und andere.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28200
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