Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wissen Sie, wie das 8. Gebot heißt? Na klar, sagen Sie jetzt vielleicht: Du sollst nicht lügen“. Das ist prägnant und gut merkbar, wie „Du sollst nicht töten“ oder „Du sollst nicht stehlen“. So also auch „nicht lügen!“ Das scheint wichtig und richtig und gut zum Beispiel für die Kindererziehung. Natürlich: Lügen zerstört das Vertrauen. „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht“ hat meine Mutter mir beigebracht. Also: nicht lügen, damit man mir vertrauen kann.

Jetzt bin ich erwachsen und habe gelernt: Mit dem 8. Gebot ist es komplizierter. Sogar die Bibel erzählt von Situationen, da sind Lügen lebenswichtig. Zwei Hebammen zum Beispiel belügen den ägyptischen König, um das Leben von Säuglingen zu retten, die sie eigentlich hätten töten sollen. Und die Prostituierte Rahab belügt den Sicherheitsdienst der Stadt Jericho, um ein paar Fremden das Leben zu retten.

„Du sollst nicht lügen“ ist also anscheinend kein absolutes Prinzip. Der Theologe Dietrich Bonhoeffer hat  geschrieben: "Wahrhaftigkeit heißt nicht, dass alles, was ist, aufgedeckt wird. Gott selbst hat den Menschen Kleider gemacht." (Ethik 394) Ich glaube, er will damit sagen: Wahrheit soll niemanden bloß stellen. Gott will nicht, dass seine Menschen nackt und schutzlos dastehen. Manchmal sind Lügen barmherzig. Wenn man den Eltern nicht gleich sagt, wie krank ihr Kind ist, sondern von seiner Chance redet. 10 Prozent immerhin. Ist das dann gelogen? Manchmal ist eine Unwahrheit wie ein Kleid, das Menschen schützt und rettet.

Und wie ist das nun mit dem 8. Gebot? Das heißt genauer: „Du sollst kein falsches Zeugnis reden wider deinen Nächsten“. Anderen also nicht schaden, darum geht es. Ursprünglich hat man dabei vor allem an Aussagen vor Gericht gedacht. Als es noch keine Fingerabdrücke gab und keine Videobeweise, da wurden Urteile aufgrund von Zeugenaussagen gefällt. Wer da ein falsches Zeugnis gab, der konnte Menschen vernichten. Das will das 8. Gebot verhindern.

Falschaussagen dienen meistens dem Eigeninteresse. Ich lenke den Verdacht von mir weg auf einen anderen. Oder ich will einen Menschen loswerden. Ich will ihn erledigen. Deshalb streue ich ein Gerücht oder eine Lüge. Irgendwas wird schon hängen bleiben. Deshalb deute ich einen Verdacht an. „Das war bestimmt wieder der Jürgen, der hat so was schon mal gemacht.“ Ich äußere eine Befürchtung „Wenn noch mehr Fremde herkommen, dann haben wir bald alle keine Arbeit mehr!“ Dabei kann man das auch ganz anders sehen.

Kein falsches Zeugnis gegen deinen Nächsten. Nichts, was andere kränkt, verletzt oder verdächtig macht. Nicht lügen, um meine eigenen Interessen durchzusetzen. Das meint das 8. Gebot.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28040
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