Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ich möchte gern ein guter Mensch sein. Eine Frau, die sich um andere kümmert und sich für andere einsetzt, auch wenn es manchmal ganz schön unbequem ist. Eine Frau, die bereit ist, auf manches zu verzichten, damit andere auch gut leben können. Ein guter Mensch möchte ich sein.

Ein schlechter Mensch möchte ich jedenfalls nicht sein. Schlechte Menschen sind für mich solche, die zuerst und vor allem an sich denken und sich für ihre eigenen Interessen einsetzen. Dann doch lieber ein Gutmensch, finde ich. Denn ich denke, nur wenn es allen einigermaßen gut geht, können wir in Frieden miteinander leben.

Gutmensch ist für viele inzwischen aber ein Schimpfwort geworden. Als Gutmenschen werden die beschimpft, die sich in ihrer Freizeit bei der Bahnhofsmission für hilflose Menschen einsetzen, wer als Krankenschwester in ein Krisengebiet geht oder am Samstag Flüchtlingskindern bei den Hausaufgaben hilft. „Gutmensch“ mit diesem Wort werden Menschen verächtlich und lächerlich gemacht. Das sind gefährliche Weicheier, steckt darin. Die haben noch nicht begriffen, dass jeder zunächst einmal für sich selber sorgen muss.

Jesus hat gewusst, wie gefährlich so eine Sprache sein kann. In seiner Bergpredigt hat er unter anderem gesagt: Ihr kennt das Gebot „Du sollst nicht töten“ Aber ich sage euch: Wer zu seinem Bruder sagt ‚du gottloser Narr‘, der ist genauso schuldig (Mt 5, 21ff)

Ich glaube, Jesus hat gemeint, man kann auch mit Worten Schlimmes anrichten. Wenn man die Sprache verwirrt und verächtlich macht und dumm nennt, was gut ist. Dann verletzt und beschädigt man die, die sich für andere einsetzen. Und man nimmt denen die Hilfe, die dringend Hilfe brauchen.

Wenn Sie und ich denen nicht widersprechen, die Helfer als Gutmenschen beschimpfen, dann überlassen wir die Welt den Egoisten, den Hartherzigen und den Engstirnigen. Und wenn wir es zulassen, dass gute Menschen für schädlich und gefährlich erklärt werden, dann wird man sie womöglich irgendwann auch mit Fäusten und Gewalt von ihrem Tun abhalten.

Natürlich kann und darf jeder sagen, dass er anderer Meinung ist als die vermeintlichen Gutmenschen. Aber dann soll er sagen, worum es geht: Dass er es nicht nötig findet, sich für den Schulerfolg geflüchteter Kinder einzusetzen. Dass er  nicht will, dass eine Hebamme aus Deutschland in Afrika Schwangeren beisteht. Dass er findet, die Klimaerwärmung sei kein Problem. Dann kann man offen mit einander streiten und nach der Wahrheit suchen.

Andere nur als „Gutmenschen“ beschädigen – das ist zu einfach und zu billig. Ich finde, wir haben noch viel zu wenig gute Menschen. Und ich wäre gerne einer von ihnen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28039
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