Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Angst. Was für ein Gefühl ist das für Sie? Gut oder schlecht? Angst verleiht Flügel, hat mir neulich eine alte Frau gesagt. “Damals nach dem Krieg, als wir auf die Flucht gehen mussten aus Ostpreußen. Heute kann ich es kaum noch glauben, was wir damals geschafft haben. Aus lauter Angst.“

Wenn ich heute Bilder der Flüchtlinge irgendwo auf der Welt sehe, dann denke ich das auch: unglaublich, was die schaffen mit Kindern und Alten. Ich könnte das nicht. Aber ist es wirklich die Angst, die ihnen Kraft gibt?

Für mich ist Angst etwas, das mich lähmt. Wie in manchen Träumen, wenn ich schreien möchte und weglaufen und kein Ton kommt raus und ich komme nicht von der Stelle. Am liebsten gehe ich deshalb Situationen von vornherein aus dem Weg, die mir Angst machen.

Wie damals die einflussreichen Leute, die sich vor Jesus gefürchtet haben. „Wenn wir ihn weitermachen lassen, dann werden alle an ihn glauben und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute!“ (Joh 11,48) Sie hatten Angst um ihren Einfluss im Land. Und deshalb, war für sie klar: Wir müssen diese Gefahr abwenden. Wir müssen ihn loswerden.

In der Bibel wird erzählt, wie das ausgegangen ist: Aus lauter Angst haben sie Jesus mit falschen Verdächtigungen verfolgt und beschuldigt, verurteilt und hingerichtet. Mir scheint: Angst ist ein schlechter Ratgeber. Wer Angst hat, versucht, aus dem Weg zu schaffen, was ihm Angst macht. Und übersieht und verpasst die Möglichkeiten, die sich ergeben könnten. Kein Wunder, dass „Fürchte dich nicht!“ ein Satz ist, der über 300 Mal in der Bibel vorkommt.

Die Nachfolger von Jesus hatten allen Grund zu fürchten, dass es ihnen genauso gehen würde wie Jesus. Trotzdem hat einer von ihnen seine Mitchristen erinnert: „Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern den Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Tim 1, 7)

Ich glaube deshalb, es ist wichtig, der Angst etwas entgegen zu setzen. Damit sie einen nicht beherrscht und in Panik versetzt und lähmt. Gottes Geist, heißt es, mit dem kann man der Angst etwas entgegen setzen. Denn der gibt einem Besonnenheit, um genau hinzuschauen, klar zu sehen, was los ist und klar zu denken. Er gibt Kraft, um das Nötige zu tun. Und Liebe, die nicht bloß sich selbst, sondern auch die anderen sieht.

Angst ist ein schlechter Ratgeber. Aber Gottes Geist schenkt Kraft, Liebe und Besonnenheit. Und ich glaube: die verleihen Flügel.

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