Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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“Der Gesunde hat viele Wünsche, der Kranke nur einen.“ Wie wahr, dieser Spruch. Womit hat man nicht alles seinen Kopf und sein Herz voll wenn man gesund ist und wieviel Wünsche hat man, wenn man voll im Saft steht und gesund ist. Ist ja auch gut, das ist das Leben, das volle pralle, das normale Leben, das scheinbar normale Leben. Aber wenn es mal nicht so ist, wenn man krank ist, mal ernsthaft krank ist, dann schnurren die vielen Wünsche auf einen zusammen: auf den, gesund zu werden.                         

An die vielen Menschen die gerade krank sind, denke ich heute. Denen es an Leib oder an der Seele oder gar an beiden nicht gut geht, schon länger nicht gut geht. Ich denke heute an all die Menschen, die Patienten sind. Auf dass sie hegende und pflegende Menschen um sich haben, zu Hause, in den Krankenhäusern oder Pflegeheimen. Menschen die sie stärken in ihrer Hoffnung auf die Erfüllung dieses einen Wunsches: wieder gesund zu werden, wieder ganz gesund zu werden. Ihnen helfen geduldig zu sein, geduldig zu bleiben oder geduldig zu werden. Patienten zu sein. Das ist schon ein sehr passendes Wort für den Mensch im Krankenstand – Patient. Denn von seinem Wortursprung her heißt es  tragen, ertragen und dulden. Und auch das englische Eigenschaftswort „patient“ bedeutet geduldig. Krankheit ist der Härtetest für den Leib und die Geduldsprobe für die Seele. Man kommt in Bereiche, die man vorher vielleicht noch nicht gekannt hat und vielleicht auch nicht kennen wollte. Ohnmacht, Unsicherheit und Ängste gehören zu den emotionalen Begleitern von Krankheit. Von Schmerzen oder Unwohlsein ganz zu schweigen. Kranksein wirft einen ganz auf sich selbst zurück. Auf einen selbst, mit allen Licht- und Schattenseiten, die es in einem gibt. Kranksein kann aber auch Türen öffnen, zu einem Selbst, zu dem der man wirklich ist. Jenseits von Leistung, Erfolg oder gutem Aussehen. So dass man innerlich quasi nackt ist. Aber auch frei. Frei von vielen Oberflächlichkeiten. Kranksein, Patient sein, kann an die Wurzeln unseres Daseins führen, daran dass wir Menschen bedürftige Wesen sind. Allesamt - von der Wiege bis zur Bahre und eben auch dazwischen, wenn wir krank sind. Der Zuwendung bedürftig, an Leib und Seele, und der Menschen, die uns Geduld und Zuversicht vermitteln. Die Zuversicht, die dann wir, wenn wir wieder gesund sind, weitergeben können. Hoffentlich…

 

Peter Kottlorz, Katholische Kirche, Rottenburg

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28021
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