Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt.“ Meine Eltern haben mir das früher häufig vorgesungen. Mit diesem Satz endet die erste Strophe vom Lied „Guten Abend, gut’ Nacht“. „Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt.“

Ich kenne Menschen, denen macht diese Aussage Angst. Weil das Wecken am nächsten Tag da von Gottes Entscheidung abhängig gemacht wird. „Nur, wenn Gott es will, wache ich morgen wieder auf! Was ist denn, wenn er nicht will?“ Und ich habe sogar von einer Familie erfahren, in der der Satz beim gemeinsamen Singen deshalb abgeändert wurde: „Morgen früh, weil Gott will, wirst du wieder geweckt.“

Ich kann diese Sicht verstehen. Dieser eine Satz ist wirklich sehr sperrig. Und gerade bei den eigenen Kindern überlegt man ja sehr genau, was man ihnen zumuten will und was nicht.

Aber genauso denke ich: Der Satz enthält eben eine tiefe Wahrheit. Unser Leben ist ja immer auch zerbrechlich und gefährdet. Heute ganz genauso wie vor 200 Jahren, als das Lied entstanden ist. Jeder Tag und jede Nacht – immer ist das Leben auch bedroht. Es gibt keine vollständige Sicherheit. Nicht ohne Grund nennt man den Schlaf auch den kleinen Bruder des Todes.

Solchen Gedanken kann man ausweichen. Aber vielleicht macht sie das nur stärker. Und irgendwann wird die Angst davor dann um so größer. Ich glaube: Gerade Kinder können sich auch den dunklen Seiten des Lebens stellen. Besser als manche erwachsenen Menschen. Auch über den Tod können sie sich ganz nüchtern Gedanken machen. Das bekommen sie hin.

Außerdem enthält der Satz aus dem Lied doch auch etwas Tröstliches: Ich bin ganz und gar in Gottes Hand. Nichts passiert mit mir, ohne dass Gott es weiß und will. Ich bin kein Spielball irgendeines Schicksals. Im Leben gehöre ich Gott, aber auch noch im Sterben. So hat das der Apostel Paulus mal geschrieben (vgl. Römer 14,8f.). Daran kann man sich gut festhalten, finde ich, auch als erwachsener Mensch noch.

„Morgen früh, wenn Gott will, …“ – in den allermeisten Fällen will Gott ja auch. Er lässt mich aufwachen und schenkt mir einen neuen Tag. Und wenn der eine Morgen kommt, an dem ich nicht mehr aufwache, auch dann bleibe ich in Gottes Hand. Im Leben und im Sterben.
„Guten Abend, gut’ Nacht“ – heute singe ich dieses Lied getrost auch meinen Kindern vor. Und ganz bewusst auch diesen einen Satz: „Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27972
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