SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Einmal, als meine Tochter noch ziemlich klein war, waren wir spazieren. Meine Tochter saß im Buggy und obwohl sie noch nicht richtig sprechen konnte, gab sie fast die ganze Zeit Laute von sich. Brabbelnd, sprudelnd, giggelnd. Mal schnell, mal langsam. Mal hoch, mal tiefer. Ich freute mich darüber und war vollkommen fasziniert. Unterwegs trafen wir eine ältere Dame. Die, wie ältere Damen manchmal so sind, mit dem Kind schäkerte und ihr gebannt zuhörte. Als sie sich verabschiedete, sagte sie auf einmal: „Was singt das Kind so schön!“. Einen Moment lang war ich total baff. Singen? Dann musste ich schmunzeln. Ja. Meine Tochter konnte zwar noch nicht sprechen, aber da war ganz offenbar irgendetwas,  eine Melodie, ein Lied, ein Rhythmus in ihr, etwas, das einfach raus musste. –  Der Geiger und Dirigent Yehudi Menuhin, einer der großen Musiker des letzten Jahrhunderts, hat einmal gesagt, das Singen sei zunächst der „innere Tanz des Atems, der Seele“.

Er findet: Singens befreit und bringt und uns den „Rhythmus des Lebens“ bei. Manchmal fällt es leichter, zu singen, als zu sprechen. So wie meiner Tochter damals. Kinder singen sowieso so gerne, und fragen sich gar nicht erst, ob sie singen können. Und folgen viel schneller dem, was Menuhin den „Rhythmus des Lebens“ nennt. Singen macht die Herzen weit, lässt Gefühle raus. Singen verändert. Uns. Deshalb finde ich es auch so schön, und passend, dass Advent und Weihnachten eine Zeit des Singens ist. Ob „Last Christmas“ im Radio oder „Stille Nacht“ an Heilig Abend in der Kirche – ich singe aus vollem Herzen mit. Und lasse zu, dass ich ganz aufgehe im Rhythmus des Lebens.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27776
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