Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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An diesem ersten Adventswochenende öffnen in vielen Orten die Weihnachtsmärkte. Hier bei uns heißt der Weihnachtsmarkt Christkindlemarkt. Das passt, weil an Weihnachten das Christkind, also Jesus Christus geboren ist.

Ich finde gut, wenn die Märkte in der Adventszeit Weihnachtsmarkt oder Christkindlemarkt heißen. Und nicht Wintermarkt, wie manche vorschlagen. Sie meinen: Weihnachten ist ein christliches Fest. Und wenn man die Märkte Weihnachtsmärkte nennt, schließt man Angehörige anderer Religionen und Menschen ohne Religion aus. Wintermarkt dagegen sei neutral.

Dafür zahlt man aber auch einen Preis, finde ich. Denn mit dem Begriff Weihnachten verbindet sich ja ganz viel. Wenn ich Weihnachten höre, dann denke ich sofort an Kind und Krippe, Engel und Hirten, Ochse und Esel, Maria und Josef und an die heiligen drei Könige. Die ganze Welt der Geschichten aus der Bibel tut sich auf. Wenn ich Weinachten durch Winter ersetze, dann verliere ich das alles. Wenn ich Winter höre, denke ich an eine weiße, leere Schneelandschaft, die es – nebenbei gesagt – in der Adventszeit ja kaum gibt. Und genauso leer wird dann auch der Dezember.

Ist doch egal, könnte man sagen. Ist es aber nicht, finde ich. Denn damit verliere ich auch ein Stück Zuhause. Nicht nur Orte können ein Zuhause sein, sondern auch Feste und Bräuche. Wie Weihnachten und Fasnacht, Ostern, Sankt Martin oder der Nikolaustag. Wenn ich mit all dem nichts mehr verbinde, dann verliere ich ein Stück Heimat. Zuhause ist da, wo ich mich auskenne. Wenn es nichts mehr zum Auskennen gibt, kann ich mich auch nicht zuhause fühlen.

Ich glaube, dass man sich in der christlich geprägten Kultur hier in Deutschland und in Europa auch zuhause fühlen kann, wenn man kein Christ ist. Die christlichen Feste und ihre Hintergründe zu kennen, heißt nicht, dass ich daran glauben muss.

Ich mache nicht die Erfahrung, dass sich Angehörige anderer Religionen an den christlichen Bräuchen stören, im Gegenteil. Ich denke an den muslimischen Schüler, der meinen Religionsunterricht besucht hat, um das Christentum besser kennen zu lernen. Im Gegenzug hat er uns Christen ein Referat über den Islam gehalten. Und der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, hat einmal in einem Interview erzählt, dass er als Kind mit seiner Mutter gern beim Sankt-Martins-Umzug mitgelaufen ist. „Das Leben von St. Martin ist doch geradezu vorbildlich, auch für Muslime“, hat er gesagt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27620
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