Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Ich mach’s, wenn ich tot bin“, hat mein Sohn neulich gesagt. Er sollte den Tisch decken. Aber er war mit seinem Handy mitten in einem Computerspiel. Ein Rollenspiel, das dann zu Ende ist, wenn die Spielfigur tot ist. Deshalb also: „Ich mach’s, wenn ich tot bin“ – „Wenn das Spiel aus ist, kann ich den Tisch decken“.

„Ich mach’s wenn ich tot bin“, dieser Satz macht nur im Spiel Sinn. Im wirklichen Leben ist er ein Widerspruch in sich: Wenn ich tot bin, mach ich gar nichts mehr.

Trotzdem leben viele Menschen, als ginge das auch im richtigen Leben. Es gibt Dinge, die sollte und will man machen, aber man macht sie nicht, sondern schiebt sie auf. Als ob man sie in einem späteren Leben auch noch erledigen könnte: Endlich eine fremde Sprache lernen oder ein Instrument, endlich den Beruf wechseln, oder sich endlich mit einem Menschen versöhnen.

„Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ (Psalm 90,12) heißt es in einem Psalm der Bibel. Ich glaube das heißt: Ich nutze meine Zeit klüger, wenn ich mir klar mache, dass mein Leben begrenzt ist. Wenn ich weiß, dass ich kein zweites Leben in Reserve habe, tue ich die Dinge, die ich schon immer tun wollte. Wie die Frau, die sich mit über 40 Jahren dazu entschieden hat, Musik zu studieren und Musikerin geworden ist. Ich habe nur dieses eine Leben – wenn ich mir das klar mache, kann ich mutiger leben.

Auf der anderen Seite kann mich das aber auch unter Druck setzen. Denn: Wenn ich nur ein Leben habe, dann muss ich doch auch möglichst viel aus diesem Leben machen. Dann darf ich es doch nicht verbocken!

„Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ (Psalm 90,12). Der, der diesen Satz gesagt hat, hat ihn zu Gott gesagt. Zu Gott, der von Ewigkeit zu Ewigkeit ist, wie es in dem Psalm weiter heißt, und für den 1000 Jahre sind wie ein Tag. Als Christ glaube ich: Dieser ewige Gott hält mich sterblichen Menschen in seiner Hand. Er hält mich auch, wenn ich mein Potential nicht voll ausschöpfe. Wenn ich am Ende meines Lebens sagen muss „Vielleicht wäre mehr drin gewesen“. Und ich glaube: Ein optimales Leben gibt es gar nicht. Es fehlt immer etwas. Aber Gott wird mein Leben, in dem manches fehlt und manches nicht gelungen ist, einmal ganz machen.

Wenn ich tot bin, kann ich nichts mehr aus mir machen. Aber ich vertraue darauf, dass ich dann bei Gott bin und dass er etwas aus mir macht. Wenn ich mir das klar mache, kann ich gelassener leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27617
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