Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ich denke oft in „Wenn-dann-Sätzen“. Wenn ich mal mehr Zeit habe, dann werde ich mehr Klavier spielen. Wenn ich diese Fortbildung gemacht habe, dann habe ich beruflich viel mehr Möglichkeiten. Wenn… dann…

Ich kenne das von vielen Leuten: Wenn die Kinder groß sind, wenn das Häuschen im Grünen einmal steht oder wenn ich einen Job habe, bei dem ich viel Geld verdiene, dann kann ich anfangen das Leben zu genießen.

Geld verdienen, Zeit und Freunde haben, gut ausgebildet und gesund sein – das ist alles nicht verkehrt, aber es macht mich nicht automatisch glücklich. Vor allem dann nicht, wenn ich immer nur darauf warte, dass es irgendwann einmal so sein wird.

Genau über dieses Thema hat sich der Soziologe Hartmut Rosa Gedanken gemacht. Er hat sich gefragt, was ein gelungenes Leben ausmacht. Seine Antwort klingt erst einmal ganz schlicht: „Das Leben gelingt, wenn wir uns von ihm berühren lassen.“ Sein Fachwort dafür ist „Resonanzbeziehung“. Er beschreibt damit die Verbindung, die zwischen mir und etwas außerhalb von mir aufgebaut wird: sei es von anderen Menschen, der Natur, von Kunstwerken oder Musikstücken. Oder eben auch von der Religion. Von Gott.

Resonanzbeziehungen – das sind für mich solche, in denen ich mich mit anderen Menschen verbunden fühle. Zum Beispiel, wenn wir beim Essen zusammensitzen. Wenn ich merke, wir haben die gleiche Wellenlänge. Da klingt etwas in mir und auch in den anderen.

Und dann spielt es keine Rolle mehr, was gestern war und welche Probleme ich morgen habe. Es sind die kurzen Momente, in denen wir uns miteinander verbunden und dadurch lebendig fühlen.

Solche Momente sind schön und tun gut, ich weiß aber auch, dass ich solche Resonanzbeziehungen nicht herstellen kann. Das liegt nicht in meinen Händen.

Aber ich kann dafür sorgen, dass die Voraussetzungen stimmen. Ich kann Freunde einladen, um mit ihnen gemütlich zusammenzusitzen. Klavier spielen und dazu singen – einfach nur für mich. Oder ich kann mich mitten am Tag in eine leere Kirche setzen. Denn ich habe gemerkt, dass dann in mir etwas klingt. Und dass es außerhalb von mir etwas gibt, das im gleichen Rhythmus schwingt. Etwas, dass mich spüren lässt, ich bin nicht allein. Für mich ist das Gott. Und dann bin ich mir sicher: mein Leben ist gut.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27569
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