Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Es gibt Menschen, die haben schon sehr gern recht. Ich gehöre da leider auch dazu. Zum Recht haben wollen gehören gute Gründe, aber auch schlechte. Gute Gründe wären für etwas oder jemanden einstehen, wenn man davon überzeugt ist. Sich nicht unterkriegen lassen, sich gegen Unrecht wehren. Schlechte Gründe für ’s Rechthaben sind Besserwisserei, gewinnen wollen oder gar andere erniedrigen.
Ich habe lange lernen müssen aus Streits zum Beispiel nicht immer als der Sieger hervorgehen zu wollen, als der, der recht hat, der, der es dem anderen bewiesen hat, dass er einen Fehler gemacht hat und nicht ich.
Ich habe nach und nach gelernt mit Unentschieden zu leben. Unentschieden heißt hier aber nicht Unentschlossenheit, Gleichgültigkeit oder Resignation. Eher, dass ich gelernt habe, dass es nicht immer so klare Lösungen gibt im Leben. Nicht immer alles schwarz und weiß ist und ich vor allem nicht ohne Fehler und Schwächen bin.
Ein Ort auf der Welt, in dem es täglich um Recht oder Unrecht haben geht, ist Israel. Besonders an Weihnachten wird es noch schmerzlicher bewusst, dass es an diesem heiligen Fleckchen Erde, wo die drei Weltreligionen Judentum, Islam und Christentum so nah beieinander sind, keinen Frieden gibt. Gerade deshalb hat mich ein Text eines israelischen Dichters sehr beeindruckt. Er ist von Jehuda Amichai und heißt „Der Ort, an dem wir recht haben“. Und diesen Text will ich all denen weiter geben, die auch so gern recht haben, in der Politik, in der Erziehung oder in der Ehe.
„Der Ort, an dem wir recht haben“, heißt dieser Text,
„Der Ort, an dem wir recht haben, ist zertrampelt und hart wie ein Hof. Zweifel und Liebe aber, lockern die Welt auf wie ein Maulwurf, wie ein Pflug. Und ein Flüstern wird hörbar an dem Ort, wo das Haus stand, das zerstört wurde.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2751
weiterlesen...