Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Es ist schon leicht daneben davon im Radio zu reden: Von der Stille. Aber der Mensch braucht sie wie Brot. Mach’ ich mir mal klar, wo sie überall nicht ist, spür ich vielleicht deutlicher wie sehr sie mir fehlt, die Stille.
Das fängt schon morgens an mit dem Wecker, dem Radiowecker oder dem Radio, dann geht’s weiter mit Rasierapparat, Brotschneidemaschine, dem Auto, Bussen und Verkehrslärm - überall Geräusche die ich zwar nicht bewusst wahrnehme, aber doch höre. Ganz zu schweigen von vielen Handy-Klingeltönen und der Unmenge von blind in die Welt hinein quasselnden Lautsprechern an den zahllosen Mobiltelefonen. Und schließlich: Musikgesülze in Aufzügen, Kaufhäusern und Restaurants. Mit „Stiller Nacht“ seit Oktober. Genug! Faxen dicke, aus die Maus. Ich will in Ruhe mein Schnitzel essen und Weihnachtsgeschenke kaufen ohne „Klingglöckchen Klingelingeling“ bis zum Erbrechen. Und weil es auch vielen anderen Leuten so geht, gibt es mittlerweile einen Verein. Er nennt sich „Pipe down“ – Lautsprecher aus! Die Idee ist aus England und „Pipe down“ heißt so viel wie Klappe halten. Die Leute des Vereins wollen aber niemanden den Mund verbieten, sondern sich wehren gegen die musikalische Dauerbeschallung in Kaufhäusern, Fahrstühlen oder Restaurants. Sie kämpfen für akustische Freiräume, für Oasen der Ruhe, besonders in den Städten.( „Nichtraucher haben rauchfreie Zonen“ sagen sie, „wir kämpfen für musikfreie Zonen“. Unterstützt werden sie von Leuten wie dem Dirigenten Justus Franz, dem Altkanzler Helmut Schmidt und dem Schauspieler Peter Sodann.)
Oasen der Ruhe. jetzt so gegen Ende der Adventszeit, wo es noch mal so richtig hektisch wird, da ist Stille wie ein Fluchtpunkt, ein Hunger, ein Durst nach den Räumen die mich lassen, in Ruhe lassen, akustisch in Ruhe lassen. Es um mich herum und dann in mir still werden lassen.
Es ist interessant, das Wort „stillen“, also dem Säugling mit der Mutterbrust Nahrung geben heißt so, weil das Kind, das vorher vor Hunger oder Unruhe geschrieen hat, still wird. Durch den Körperkontakt, die Nahrung und die Zuwendung still wird. Zunächst äußerlich und dann auch innerlich. Und fast kommt mir diese auch laute und hektische Adventszeit so vor als wenn die Menschen schreien würden nach Zuwendung, nach Körperkontakt, nach Nahrung, nach innerer Nahrung. Und genau darum geht es ja auch im Advent: mich einstimmen auf die innere Nahrung, die Seelennahrung. Durch Sinn und durch Gott. Damit seine Nahrung ankommen kann in meinem Herzen. Aber bevor ich nicht bei mir selbst angekommen bin, kann auch niemand anderes bei mir ankommen. Und die Voraussetzung dazu ist Stille. Nichts als Stille.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2750
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