SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Einen guten Morgen wünsche ich Ihnen. Großzügig sein macht glücklich. Haben Forscher herausgefunden. Großzügig sein löst im Gehirn Glücksgefühle aus. Aber vielleicht wissen Sie das auch ohne gescheite Wissenschaftler. Ein großzügiger Mensch ist ein glücklicher Mensch. Und möglicherweise haben Sie jetzt auch so einen Menschen vor Augen. Einen, der gerne gibt, ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten, einfach so. Der gerne einlädt. Der einem anderen etwas gönnen kann. Und – halten Sie diesen Menschen für glücklich? Sehen Sie. Großzügig sein macht glücklich.

Warum fällt es einem aber selber oft so schwer, großzügig sein? Manchmal wundere ich mich schon über mich selbst. Und denke, wenn ich’s dann merke: Mensch, wie kleinlich war das wieder. Wenn ich mich aufrege, weil der Kollege einen Fehler gemacht hat. Oder wenn einer was Dummes sagt. Oder wenn’s nicht so geht, wie ich das will. Mir passiert das doch auch, dass mir was durchrutscht. Dass ich was vergesse. Dass ich mal unüberlegt was sage. Ist doch menschlich. Wär ja eigentlich schlimm, wär’s anders. Finden Sie nicht? Einer, der denkt, er wär unfehlbar. Nee, kann man eigentlich nicht wollen.

Aber manchmal frage ich mich schon, warum die Großzügigkeit so oft auf der Strecke bleibt. Ist es die Angst, ich könnte zu kurz kommen? Oder ausgenutzt werden? Ein großzügiger Mensch kann über kleinere Fehler oder Missgeschicke wegsehen. Der muss nicht immer auf seinem Recht bestehen. Der weicht auch mal anderen Leuten auf der Straße aus, auch wenn er das nicht müsste.

Eigentlich geht Zusammenleben doch gar nicht ohne Großzügigkeit. Nicht im Kleinen in der Partnerschaft oder in der Familie. Auch nicht in einem Verein. Auch nicht in einer Kirchengemeinde. Und eigentlich funktioniert doch das Zusammenleben nirgends ohne Großzügigkeit. Nur auf die eigenen Interessen gucken, nur selber möglichst viel rausschlagen, nach dem Motto: was gehen mich die anderen an? Das funktioniert nicht. Nicht im Kleinen und auch nicht im Großen. Großzügige Menschen sind glückliche Menschen, sagen die Wissenschaftler. Die haben ein weites Herz. Die denken auch großzügig. Mir zeigen sie: Großzügig sein und denken, das tut gut. Anderen und mir selber.

In der Bibel gibt es eine passende Geschichte dazu. Fast wie ein Märchen klingt die am Anfang. Ein König will mit den Verwaltern seiner Güter abrechnen. Die haben Schulden bei ihm. Und er will sein Geld zurück. So haben sie es eigentlich ausgemacht. Gleich der erste in der Reihe schuldet dem König eine unvorstellbar hohe Summe. Sie ahnen schon, das kann nicht gut gehen. Der Schuldner hat das Geld nicht. Keinen Pfennig kann er zurückzahlen. Was ihm blüht, ist klar. Damals war das so üblich: Der König will den Schuldner als Sklaven verkaufen lassen. Seine Familie dazu und alles, was er hat. Das ist zwar bei weitem kein Ersatz für seinen Verlust. Aber immer noch mehr als nichts. Und Strafe muss sein, sonst könnte ja jeder kommen. Da fällt der Mann vor dem König auf die Knie und jammert und klagt so überzeugend, dass der sich erweichen lässt. Der König gibt ihm nicht nur Aufschub, er erlässt ihm die komplette Schuldenlast. „Lass gut sein.“

Und was macht diese Großzügigkeit mit dem Schuldner? Macht sie ihn glücklich? Statt Sklave werden zu müssen, kann er weiter als freier Mensch leben. Kriegt Lebenszeit in Freiheit geschenkt. Die Schulden weg. Das Leben kann noch mal von vorn beginnen. Möglichkeiten in ungeahntem Ausmaß.

So weit, so gut. Leider nicht. Als Freigelassener trifft er auf einen Kollegen, der ihm ein bisschen was schuldet. Überhaupt kein Vergleich mit der Summe, die er gerade erlassen gekriegt hat. Doch er greift sich seinen Kollegen und will, dass der seine Schulden bei ihm sofort bezahlt. Natürlich steht ihm das Geld zu, keine Frage. Und der Kollege geht vor ihm in die Knie. Sie merken was? Er bittet: „Hab Geduld mit mir. Ich zahl’s Dir zurück.“ Doch der gerade Freigelassene lässt sich davon nicht beeindrucken. Er lässt ihn ins Gefängnis werfen, bis er vielleicht doch noch was rausrückt. Oder bis die Verwandtschaft zusammenlegt und den Eingesperrten aus dem Gefängnis freikauft.

Denken Sie jetzt auch: Wie kann er nur? Wie kann er die Großzügigkeit, die er gerade erfahren hat, so schnell vergessen? Was will diese Geschichte? Will sie sagen, schau, so kleinlich ist der Mensch? Ich glaube das nicht. Ich glaube, sie will sagen: So kleinlich kann ein Mensch eigentlich doch gar nicht sein. Denn ich lebe als Mensch doch immer davon, dass ich Großzügigkeit erfahren habe. Mein Leben habe ich mir nicht selber gegeben. Dass andere mich lieben, ist ein Geschenk. Auch dass wir in Europa über 70 Jahre schon Frieden haben. Dass es soziale Sicherheit gibt in unserem Land. Wie großzügig ist das denn? Und wie gut ist das für mich! Sollte ich da nicht auch großzügig sein?

Großzügig sein macht glücklich. Ich glaube, mit Großzügigkeit geht vieles wie von selbst.

Und ich wünsche Ihnen jetzt einen frohen Sonntag und eine gute Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27478
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