Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Es gibt Augenblicke im Leben, in denen die Zeit still steht. Zuletzt habe ich das so erlebt, als mein Enkelkind frisch geboren war. Wie genau es sich anfühlt, Oma zu sein, habe ich nicht gewusst. Ich habe gewusst, dass ich mich deshalb nicht älter fühlen würde als ich es bin. Ich habe mit gehofft und gebangt, dass in der Schwangerschaft alles gut geht. Ich habe mich auf das Kind gefreut. Habe eine besonders aufwändige Jacke gestrickt. Mir überlegt, was ich meinem ersten Enkelkind zur Geburt schenken will. Ich habe gestaunt über die gut erkennbaren Ultraschallbilder, die mir mein Sohn jedes Mal geschickt hat. Habe aufmerksam verfolgt, wie das junge Paar sich auf ihr Eltern sein vorbereitet hat.

 

Aber als ich dann den Anruf erhalten habe, dass das Baby gesund auf der Welt ist, sind einfach nur die Tränen geflossen.

Einen Tag später stand ich dann im Krankenhaus bei der jungen Familie.

Es ist Weihnachten, schoss es mir durch Herz und Kopf. Ein Kind ist uns geboren. In diesem Augenblick war nichts wichtiger auf der Welt. Ein Augenblick eben, in dem die Zeit still steht. Ein Augenblick zwischen Himmel und Erde. Ein Wunder – gewachsen aus der Verschmelzung einer Eizelle und einem einzigen Samen. Der kleine Leo - was für ein Geschenk, dass er lebt und dass er gesund ist. Ausgestattet mit allem, was er zum Wachsen braucht. Augen, Nase, Ohren, Mund, Finger – alles winzig. Aber alles da. Die Haare schon sichtbar lockig. Die Haut weich wie eine Feder. Ganz fühlbar auch, wie verletzlich und abhängig dieses kleine Kind ist. Wie angewiesen darauf, dass es gut versorgt und aufmerksam wahrgenommen wird.

Jetzt weiß ich, wie es sich anfühlt, Oma zu sein. Es gibt Verbindungen, die unvergleichlich sind. Dazu gehört die Beziehung zu den eigenen Kindern – und auch zu Enkelkindern. Seitdem erlebe ich, wie der kleine Leo wächst. Wenn ich ihn und seine Eltern besuche, sitzen wir manchmal einfach nur da und schauen ihm zu. Ein altes Weihnachtslied beschreibt es so: „Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen“. Das Kind, das mit Freude angesehen wird ist Jesus. Mit seiner Geburt feiern die Christen, dass Gott auf die Welt kommt.

Wenn ich den kleinen Leo sehe, glaube ich: Gott kommt in jedem Neugeborenen auf die Welt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27347
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