SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Unsere Welt braucht Orte des Friedens. Orte, an denen wir lernen, miteinander zu leben. Orte, die Verbindendes bestärken und dennoch Trennendes sichtbar machen. Es müssten Orte des Lernens sein, wo Menschen unterschiedlicher Weltsichten, Glaubensrichtungen und Nationalitäten sich begegnen. Sie können dazu beitragen Missverständnisse und Vorurteile aus der Welt zu schaffen

Leider bestimmen andere Orte zurzeit die Schlagzeilen. Lautstarker Protest gegen Ausländer, aggressive Parolen gegen Politiker, neuerlich ein Anschlag gegen ein jüdisches Restaurant, Demonstrationszüge, bei denen bekannte Symbole der Nazi-Herrschaft wieder auftauchen. Das alles macht mir große Sorgen. Erst recht wenn gewählte Politiker statt Lösungen zu suchen, weiter Benzin ins Feuer gießen Wenn behauptet wird, die Migration sei die Mutter aller Probleme dann sind die Schuldigen schnell ausgemacht. So einfach kann man es sich machen. Und so heizt man eine fremdenfeindliche Stimmung gewaltig an.

Auf meiner Suche nach Hoffnungszeichen in dieser aufgewühlten Zeit habe ich einen solchen Ort gefunden. Juden, Christen und Muslime haben sich in Berlin auf den Weg gemacht, und bauen für eine Verständigung unter den Religionen ein völlig neuartiges, zukunftsweisendes gemeinsames Haus. Ein Haus mit mehreren Versammlungsmöglichkeiten für die jeweilige Glaubensgemeinschaft und einem großen Foyer zur gemeinsamen Begegnung.

Kirche, Synagoge und Moschee unter einem Dach, das hat es so noch nirgends gegeben. Es sind die drei großen Religionen, die alle an den einen Gott glauben. Die oft ihre Gemeinsamkeit nicht mehr im Blick haben und für das Unterscheidende keine Sprache finden. Es ist nicht zu leugnen, dass gerade von diesen Religionen Gewalt ausging, was in manchen Teilen unserer Welt bis heute andauert. Der Mut derer, die dieses Projekt gestartet haben, fasziniert mich. Ich höre natürlich auch die Einwände: Das sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein, das würde nur zu einer Vermischung der Unterschiede führen, das sei nur eine verschwindend kleine Minderheit, die so tolerant ist usw. Einwände und Argwohn gibt es sicher genug Dennoch! Nächstes Jahr soll der Grundstein für das gemeinsame Haus gelegt werden.

Unsere Welt braucht Orte des Friedens, Orte des Lernens, Orte der Begegnung. Ich spreche heute in den Sonntagsgedanken über eine Initiative in Berlin, die auf mich großen Eindruck macht.

Musik

Vertreter der drei großen Religionen, Islam, Judentum und Christentum planen und bauen ein geräumiges Haus, in dem eine Synagoge, eine Moschee und eine Kirche Platz finden sollen. Und daneben gemeinsame Räume der Begegnung. Ich bin von dieser Idee begeistert. Statt sich voneinander abzusondern suchen sie die Begegnung, statt Ängste zu schüren, wollen sie sich kennen lernen, statt auf die Unterschiede zu pochen, blicken sie auf die Gemeinsamkeiten. Für mich ist dieses Haus wirklich ein ganz besonderer Lernort.

Ein Auf der Internetseite dieses wunderbaren Projektes wird erzählt, wie ein zwölfjähriger Junge, der selber keiner Religion angehört, der Reihe nach den Pfarrer, den Rabbi und den Iman fragt, was ihrer Meinung nach die Religionen verbindet und was sie trennt. Er erlebt wie alle drei ganz freundlich und respektvoll von ihrer eigen und von der jeweils anderen Religion sprechen. Am Ende wird der Junge gefragt, was nun für ihn das Wichtigste aller drei Religionen sei: Der Junge ganz spontan: “Respekt“.

Vielleicht ist es genau das, was uns heute verloren geht. Respekt! Der kleine Junge hat erfahren, wie unterschiedliche und fremde Menschen versuchen, sich zu verstehen. Ich glaube, er hat dabei eine wichtige Lektion für sein Leben gelernt. Er hat es selber erlebt: Begegnung mit anderen, die anders leben und glauben, weitet den Horizont, macht einen in seinen Urteilen vorsichtiger und in seinen Ansprüchen bescheidener.

Wir brauchen solche Lernorte nicht nur in Berlin. Es kann gar nicht genug davon geben, weil der Bedarf so groß ist. Es müssen auch nicht nur solch große Projekte sein. Lernen beginnt immer im Kleinen. Das gilt auch für den Respekt. Im eigenen Haus, am Arbeitsplatz, in der Kirche oder auf der Straße. Respekt ist der erste Schritt zum Frieden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27280
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