SWR3 Gedanken

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„Und – hast du immer noch keine Freundin?“ Tante Mathilde macht ein mitleidiges Gesicht, während sie die Sahne auf ihrer Himbeertorte verschlingt. Alle anderen am Tisch heben erwartungsvoll die Augen und starren Felix fassungslos an. Danke. Die Frage wollte er hören. Nachdem er einen ganzen Nachmittag mit Pärchen verbracht hat. Als einziger Single auf der gesamten Hochzeitsfeier. Und dann rutscht  es ihm einfach raus:  „Mathilde, ganz dünnes Eis. Da würde ich mich mit deiner Gewichtsklasse nicht draufstellen.“ Bäm! Das hat gesessen. Stille am Tisch. Und hoffentlich auch der ein oder andere Gedanke, wie verletzend ein salopp daher gesagter Satz sein kann. Vielleicht nicht mal böse gemeint. Aber völlig fehl am Platz. 

So schlagfertig wie mein Kumpel Felix bin ich nicht. Aber ich kenne sie ebenfalls: übergriffige und oftmals einfach unüberlegte Fragen, auf die man in der Öffentlichkeit nicht antworten möchte, die ganz persönlich sind und die verletzen können wie ein scharfes Küchenmesser.

„Na, wann ist es denn bei euch so weit?“ Zu einem  Paar, dass sich seit zwei Jahren nichts sehnlicher wünscht als Nachwuchs.

„Und , hast du jetzt nen Plan?“ Zu einem Studienfreund, der auch auf seine 50. Bewerbung keine erfreuliche Antwort bekommen hat.

„ Bist du immernoch am Trauern?“ Zur Witwe, die ihren Mann jeden Tag vermisst.

Absolute No-Gos. Und sie sind auch mir schon unüberlegt rausgerutscht, nicht nur Mathilde. Deswegen will ich immer wieder nachdenken, bevor ich sensible Themen in der Öffentlichkeit anschneide. Denn das ist nichts für verbale Trampeltiere. Im Gegenteil:  Das ist ganz dünnes Eis.

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