Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Was werde ich zurücklassen, wenn ich einmal sterbe? Diese Frage ist mir durch den Kopf gegangen, als ich vor ein paar Wochen in einem Trödelmarkt war. Eine riesige Halle, vollgestellt mit alten Möbeln, Lampen, Geschirr, Bestecken, Bildern… Alles war so gekonnt gestapelt, dass man sich sicher durch die schmalen Gänge bewegen konnte. Trotzdem war ich erschlagen, nicht von den Ungetümen aus dunklem Eichenholz, sondern von dem Eindruck, der noch lange in mir nachgewirkt hat. Wie viel Leben in diese hässliche, nüchterne Halle hineingestopft war. Lebensgeschichten von Menschen, die ich nie gekannt habe und nie hätte kennen können, hier lagen sie quasi vor mir. Ich kam mir fast indiskret vor, wie wenn ich durchs Schlüsselloch schauen würde. 

Als ich wieder zu Hause war, habe ich auch meine eigene Wohnung erst mal ganz anders angeschaut. Ich konnte mir vorstellen, wie ein Händler mit sachkundigem Blick durchgehen würde und blitzschnell abscannt, was sich noch verkaufen lässt und was gleich in den Container wandert. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Dinge, an denen ich am meisten hänge, gar nicht  die sind, die vielleicht noch einen materiellen Wert darstellen. Sondern Gegenstände, die mit anderen Menschen verbunden sind und deshalb schon jetzt eine Geschichte haben. Das Goldrandgeschirr, das meine Eltern mühsam angeschafft haben, der abgeliebte Teddybär meiner verstorbenen Schulfreundin, das schöne Album, das meine Kollegen mir zum Geburtstag gestaltet haben… Ich habe bemerkt: die Dinge sind eigentlich nur Platzhalter. Wenn ich sie anschaue, sehe ich in und hinter den Dingen Menschen. Sofort fällt mir ein, wie sie waren oder sind: wie sie gelacht haben, wie sie sich die Haare aus dem Gesicht streichen, was sie in bestimmten Situationen sagen würden, was sie mir bedeutet und was ich an ihnen geliebt habe. Das ist das Eigentliche, was ich von ihnen bewahre, mehr als die Erinnerungsstücke, die bewahre ich nur auf 

Was wird man einmal von mir bewahren? Vielleicht eine Geste, die mal jemand getröstet hat, ein Wort, das mutig war, oder ein Witz, über den man richtig lachen konnte. Das fände ich schön. Und dann wär mir auch egal, ob meine Möbel und all der andere Krimskrams einmal auf dem Müll landen oder in einer Trödelhalle.

 

 

 

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