Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Der Kirche ein Dorf geben“. Das hat der katholische Pfarrer von Tettnang gesagt. Als der Grundstein für ein neues Wohnviertel gelegt wurde: Das Sankt Anna Quartier. Dort geschieht jetzt wieder was jahrhundertelang Gang und Gebe war. Jahrhundertelang haben sich Dörfer und Städte um die Kirchen herum gebildet. Und so gut wie jedes Dorf hatte seine Kirche, die sakrales und soziales Zentrum war. Das hat sich verändert. Heute sind die Kirchen meist nur noch optisch der Mittelpunkt eines Ortes. Und wenn nun der Tettnanger Pfarrer „der Kirche wieder ein Dorf geben“ will, dann ist das kein frommer nostalgischer Wunsch, sondern er will Leben ermöglichen. Der Kirche, die sich von so viel Leben abgekoppelt hat und abgekoppelt wurde. Und er will ärmeren Menschen Leben ermöglichen, indem er ihnen bezahlbaren Wohnraum schafft. Dafür hat er, statt ein neues Gemeindezentrum zu bauen, der Stadt das kircheneigene Grundstück günstig zur Verfügung gestellt. Und dort entstehen nun durch eine genossenschaftliche Bauherrengemeinschaft 127 Wohnungen. Und zwar bewusst nicht nach dem Prinzip der Gewinnmaximierung. So werden 30% der Wohnungen für 7 Euro pro Quadratmeter vermietet. 20% für 9 Euro 50 und die restlichen 50% für so viel wie eine Wohnung in Tettnang im Schnitt kostet: 11 Euro 70 pro Quadratmeter. Das nenne ich soziale Preise. Und das geht, wenn genug Menschen guten Willens sich zusammentun und sich nicht den scheinbar naturgesetzlichen Martktmechanismen unterwerfen. Da geht es dann natürlich auch ums Geld, aber nicht nur und nicht in erster Linie. 
Es geht vor allem darum, Menschen einen Ort zum Wohnen zu geben, einen Ort, an dem sie Gemeinschaft erfahren können und der ihnen zur Heimat werden kann. Die 127 Wohnungen gruppieren sich um die Sankt Anna Kapelle und einen daneben entstehenden  Pavillon. Sie sind das Herzstück des Quartiers. Drum herum können dann verschiedenste Menschen ihr Dorf bilden: eine Wohngemeinschaft für behinderte Jugendliche, hilfsbedürftige Senioren, Familien mit Kindern, Einheimische und Menschen aus anderen Ländern. Mit dieser Art von Wohnen ist die Kirche wieder in der Mitte der Menschen. Und hat - wie früher, aber doch ganz neu - wieder ein Dorf um sie herum…

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27000
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