Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wer unter Weinstock und Feigenbaum sitzt, der lebt in Frieden.“ Zweitausendsiebenhundert Jahre alt ist dieser schöne Satz des Propheten Micha. Er kam mir in den Sinn, als ich mein Nachbarehepaar in seiner selbsterbauten Gartenlaube sitzen sah. Ein wahrhaft zeitloses Bild von Frieden und Glück. Mit der kleinen Bank und den Weinreben darüber als grünes Naturdach, das Licht durchscheinen lässt und doch Schatten.
Pflanzen spielen nicht umsonst eine wichtige Rolle in der Bibel. Im Alten und Neuen Testament werden mehr als 100 Pflanzen genannt und meistens stehen sie für mehr als für sich selbst. Die sprichwörtlichen Lilien auf dem Felde sind für Jesus ein Bild für Sorglosigkeit und Gottvertrauen gewesen. Sich selbst hat er als Weinstock bezeichnet und seine Jünger als die Reben. Ein Symbol für natürliche Verbundenheit miteinander. Einen Feigenbaum, der keine Früchte trug, hat er in einer mir unerklärlichen Weise verdammt. Und auch nicht nur positiv weg kommt die Feige bei Adam und Eva. Als sie mit ihren Blättern die Nacktheit der beiden bedeckt, nach ihrer Vertreibung aus dem Paradies. Im Gegensatz dazu der Granatapfel. Im Hohenlied der Liebe beschreibt der Liebhaber seine Geliebte als Lustgarten von Granatäpfeln und anderen edlen Früchten. Und seine Geliebte beschreibt ihn als Apfelbaum unter den Bäumen des Waldes, dessen Frucht süß in ihrem Gaumen schmeckt. 
Ich könnte noch lange in biblischen Naturbildern schwelgen, will aber nicht enden ohne die Pflanze, die den ganzen Mittelmeerraum prägt: die Olive. Sie ist ein uraltes Symbol für Hoffnung und Frieden. Mit ihrem Öl wurden Könige gesalbt und heute die Kinder bei der Taufe.
Nach der Sintflut brachte eine Taube einen Olivzweig zur Arche Noah, einmal mehr ein Bild des Friedens und der Hoffnung. Wie das Gedicht von Peter Härtling, das ich Ihnen mit in diesen Tag geben möchte.

Wenn jeder eine Blume pflanzte, jeder Mensch auf dieser Welt, 
anstatt zu schießen tanzte und mit einem Lächeln zahlte statt mit Geld.  
Wenn jeder einen anderen wärmte, keiner mehr den anderen schlüge,
keiner sich verstrickte in der Lüge,  
Wenn die Alten wie die Kinder würden,
wenn sie sich teilten ihre Bürden, wär‘s noch lang kein Paradies,
bloß die Menschenzeit hätt angefangen, die in Streit und Krieg uns beinah ist vergangen.

 

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