Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Teil 2: Gegen die Hoffnungslosigkeit

Was sollte ich der alten Dame nur sagen? Ehrlich gesagt glaubte ich nicht, dass sie noch einmal auf die Beine kam. Sie war hochbetagt, und nun schon längere Zeit bettlägerig. Während der Autofahrt zu ihr malte ich mir aus, welch trostlose Situation ich antreffen würde und legte mir ein paar aufmunternde Worte zurecht. Ihre Tochter öffnete mir die Tür und führte mich in das Schlafzimmer mit zugezogenen Vorhängen. Es roch, fand ich, ein wenig nach Sterben – so wie ich es erwartet hatte. Aber dann kam alles ganz anders. Die alte Frau blickte mich mit müden aber überaus freundlichen Augen an und sagte: „Ich freue mich ja so drauf, bald heimgehen zu dürfen.“ Heimgehen – damit meinte sie ihren Tod und die Erwartung, dann ein neues Zuhause bei Jesus zu haben. „Ich werde schon erwartet“, sagte sie. „Jesus hat uns doch eine Wohnung im Himmel versprochen“. Und dann zitierte sie mehrere Bibelstellen. Zum Beispiel den Apostel Paulus: „Wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. (2. Kor 5,1)“. „Kennen Sie die Stelle, junger Mann?“, fragte sie mich. Natürlich kannte ich sie – aus dem Studium. Aber nicht so wie diese Frau sie kannte. Sie lebte mit diesem Wort, und es gab ihr ungemein viel Kraft und Hoffnung.

Bewegt machte ich mich auf den Rückweg. Ich war gekommen, um die Frau zu trösten. Aber stattdessen wurde ich aufgemuntert. Nur wenige Wochen später habe ich sie dann fröhlich beerdigt und dabei von meiner letzten Begegnung mit ihr erzählt.

Wer wollte einem Menschen in dieser Situation den Glauben zerstören und sozusagen die Krücke wegstoßen. Wenn ihr das hilft, soll sie glauben was sie will, denken manche vielleicht. Aber da muss ich widersprechen. Es geht nämlich nicht nur um diese alte Frau, sondern auch um mich. Es steht ja außer Frage, dass auch ich einmal sterben werde. Und ich fände es wunderbar, dann auch so von der Perspektive auf Gottes unsichtbare Welt getragen zu werden. Keine Ahnung, wie das sein wird. Jedenfalls weiß ich, dass ich allen Grund zur Hoffnung habe. Weil Gottes Wort mir das zuspricht.

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