Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Warum musste Kevin sterben?“ - Diese Frage - grob auf Pappe gekritzelt und inmitten eines Meers von Lichtern und Blumen – hielt vor kurzem eine ganze Stadt in Atem. Und warum musste Kevin sterben? Weil der eigene Vater den Dreijährigen erschlagen hat, lautet die erbärmliche Antwort. Zwei bis drei Kinder, so verrät die Statistik, kommen in Deutschland in jeder Woche zu Tode – geschlagen, gestoßen, geschüttelt oder sexuell missbraucht. Viele andere überleben schwer traumatisiert und oft gezeichnet für ihr ganzes Leben. 

Immer, wenn solche Skandale bekannt werden, geraten auch die zuständigen Behörden ins Visier – ein Super-GAU für das zuständige Jugendamt. Ich denke an Lisa, Sozialpädagogin in der Jugendhilfe. Auf ihrem Schreibtisch stapeln sich gegenwärtig 80 Fälle. Und täglich kommen neue hinzu. Doch sie kann und darf nicht einfach nach „Aktenlage“ entscheiden. Wo das „Kindeswohl“ in Gefahr ist, muss man sich erst behutsam an überforderte Mütter oder gewalttätige Väter herantasten, sich ein Bild verschaffen, viele Gespräche führen und weitere Fachleute zu Rate ziehen. Das kann dauern, bis ein betroffenes oder bedrohtes Kind den Eltern weg- und in „Obhut genommen“ wird. So lautet das im Behördendeutsch. Und manchmal dauert es zu lange. Kein Wunder, denn die Jugendämter und die Familiengerichte sind personell unterbesetzt. Die Helferinnen und Helfer schreien selber um Hilfe. Denen, die sich mit großem Einsatz einbringen, kann man nicht genug danken! Doch nun ist die Politik am Zug und muss endlich Abhilfe schaffen! 

Allerdings darf man das „Kindeswohl“ nicht einfach an die Behörden delegieren. Es muss uns allen zur Herzenssache werden. Dann werden wir wachen Auges wahrnehmen, was um uns herum geschieht, wo Kinder missachtet oder gar gequält werden. 

Als Christ fasziniert mich, wie Jesus mit den Kindern umgegangen ist. Auch damit provozierte er die Gesellschaft von damals, denn die Kinder waren ja Randfiguren. Die Evangelien berichten, wie die Gefolgsleute Jesu einmal die bettelnden und lärmenden Horden davonjagen. Jesus aber umarmt und segnet die Kinder. Mehr noch: Einmal rief er ein kleines Kind, stellte es in die Mitte und sagte: „Wer ein solches Kind aufnimmt, der nimmt mich auf“ (Markusevangelium 9, 36-37).

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26921
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