Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Krach am Sinai… Zwei Brüder geraten mächtig aneinander, erzählt die Bibel (Buch Exodus 20 und 32). Während Mose droben auf dem Berg zitternd von Gott die Zehn Gebote entgegennimmt, veranstaltet sein Bruder Aaron drunten im Tal eine große Sause. Wie besessen tanzt man um einen goldenen Stier. Einen von der Sorte, wie man ihn heute in Bronze vor der Frankfurter Börse bewundern kann. Ein solch schnaubendes Ungetüm trampelt bekanntlich alles nieder, was sich seiner Gier in den Weg stellt. Der Stier war schon immer das Symbol der Baals-Götter. Die galten damals in Palästina als die Fetische unendlicher Fruchtbarkeit und immerwährenden Wachstums. 

Mose – außer sich vor Wut – zerschmettert die Gesetzestafeln am Berg und pulverisiert das goldene Hornvieh. Dann ruft er das Volk zur Ur-Abstimmung: Entscheidet euch – entweder für die Götzen des Wachstums oder für den Gott der Gerechtigkeit. Hopp oder topp! 

Ich glaube: Vor dieser Entscheidung stehen auch wir jeden Tag. Hier ein Häppchen, dort ein Schnäppchen – fast umsonst. Das wird den biblischen Gott der Gerechtigkeit nicht sehr begeistern, denn die armen Näherinnen in Bangladesch oder Myanmar nagen samt ihren Kindern am Hungertuch.

Oder ist es etwa gerecht, wenn eine Angestellte in ihrem ganzen Arbeitsleben grade mal soviel verdient wie ihr Vorstandsvorsitzender in einem Monat? Da lachen die Baale. Der Gott der Gerechtigkeit aber weint, wenn er so viele Menschen ein Leben lang schuften sieht, die dann im Alter verarmen.

Den Baals-Jüngern begegnet man übrigens auch im Straßenverkehr: Wer mit zweihundertfünzig Sachen über die Autobahn brettert, als wär er allein auf der Welt, huldigt dem goldenen Stier – und ist ein Rindvieh dazu.

Neuerdings beziehen die Baale auch Posten an den Außengrenzen, um unseren Reichtum gegen Not, Armut und Elend in der Welt abzuschotten. 

Sinai ist hier und heute: Es geht nicht um Moral, sondern um ein zukunftsfähiges Konzept für die Menschheit, um gutes Leben für alle. Aber wie soll „Baal“, ein auf Gier getrimmtes Wirtschaftssystem die Welt gerecht und geschwisterlich gestalten? 

Israel entschied sich damals für den Gott der Gerechtigkeit. Und der erneuerte sein Versprechen. Das heißt: Wer Gerechtigkeit übt, mit dem ist Gott im Bunde.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26920
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