Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Diese Nachricht habe ich meiner Freundin heute Morgen per e-mail gesendet.
Sie wohnt weit weg von hier. Und wir sehen uns selten.
Das Jahr über sind e-mails ja ganz praktisch. Nachricht hin – Antwort zurück. Fertig. Aber an Weihnachten, da nehmen wir uns jedes Jahr Zeit füreinander und schreiben uns einen langen Brief. Von Hand, auf einem schönen Briefpaper und mit einer richtigen Briefmarke. Wir finden, das ist ein besonderes, ein kostbares und ein sehr persönliches Weihnachtsgeschenk, das man so nirgends kaufen kann.
Mit diesen Weihnachtsbriefen pflegen wir unsere Freundschaft. Wir zeigen uns unsere Sympathie. Wir sagen: Ich denke an dich. Du bist für mich ein wichtiger Mensch.
So wichtig, dass ich wissen möchte, wie es dir geht. So wichtig, dass ich dir Gutes wünsche und dass ich dir auch von mir erzähle.
Und deshalb sind unsere Briefe immer auch Vertrauensbeweise. Ich sehe ja meine Freundin nicht, wenn ich ihr schreibe. Ich weiß nicht, ob sie beim Lesen lächeln wird, oder ob sie kritisch die Augenbrauen hochzieht.
Briefe schreiben pflegt übrigens nicht nur die Freundschaft. Es tut auch der eigenen Seele gut. Chaotische Gefühle können beim Aufschreiben in eine gewisse Reihenfolge kommen. Eine erste Wut verraucht. Und ein schönes Erlebnis beginnt noch einmal neu zu strahlen. Auch ungeklärte Fragen und Probleme werden klarer. Denn wer sie aufschreibt, hat die Chance, beim Schreiben selbst die Antwort zu finden.
Und wie bei allen wirklichen Geschenken haben wir beide etwas davon. Die, die schreibt und die, die nachher den Brief bekommt. Meine Freundin und ich merken das jedes Jahr in den Weihnachtsbriefen, die wir uns schreiben.
Der Apostel Paulus, der sich mit dem Briefeschreiben gut ausgekannt hat, der hat das ebenfalls gewusst. Er ist sogar noch weiter gegangen. Er hat gesagt: Jeder Mensch kann ein Brief Gottes sein. Weil andere an ihm etwas von Gott ablesen können. Von seiner Sympathie und seinem Vertrauen, dem Interesse an einem Menschen und der Liebe und gelegentlich auch von seiner berechtigten Kritik. – Alles Dinge, die einen guten persönlichen Brief ausmachen.
Bald ist Weihnachten. Und vielleicht ist das ja eine gute Gelegenheit, jemandem, den Sie mögen, so einen Brief zu schreiben – als ein Zeichen von Zuneigung, Vertrauen und Interesse.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=2692
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